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Habsburg — Maria Antonia 33 Habsdurg — Maria Antonia
telbaren Nähe des Königspaares, dem
es sich in seiner verzweifelten Lage
unbedingt vertrauen mochte. Die bisher
gemachten Erfahrungen hatten alle Zu«
verficht erschüttert. Aber bewunderungs-
werth ist die moralische Kraft, mit
welcher Ludwig und Mar ia Antoi-
nette die furchtbar lange Katastrophe
ihres Unglücks trugen. Am 13. Juni
1792 verweigerte der König zweien
Deereten über die Verweisung der Prie«
fter und über die Bildung eines Lagers
von 20.000 Mann unter den Mauern
von Paris seine Zustimmung. Er wollte
beides bestätigen, aber die Königin
bestand auf der Ausübung des Voto.
Dieser letzte Gebrauch der constitutio-
nellen Gewalt hatte furchtbare Folgen.
Einige Tage darnach, am 20. Juni,
drangen die wüthenden Schaaren in die
Tuilerien, und richteten daselbst gräuliche
Verwüstungen an. Als um 6 Uhr Abends
zwölf Abgeordnete der Nationalversamm-
lung erschienen, um während des Auf»
standes dem Könige zur Seite zu sein,
zeigte ihnen die Königin die Verwüstun-
gen im Palaste, und bemerkte ihnen,
wie schimpflich dieses Asyl unter den
Augen der Nationalversammlung geschän-
det sei. In fortwährender peinlicher Sorge
sah das Königspaar dem Herannahm
des Jahrestages der Constitution ent-
gegen. Die Unruhe im Volke wuchs mit
jedem Tage, und immer wieder drohten
die Bewohner der Vorstadt Saint Antoine
mit einem neuen Ueberfalle der Tuilerien.
Da erschien der 10. August, und früh
erschallte von allen Seiten die Sturm«
glocke. Die königliche Familie hatte auf
Maudat, den Befehlshaber der Natio-
nalgarde, gerechnet, und von ihm Schutz
erwartet, aber schon Morgens um 4 Uhr
war er ermordet und wurde sein blutiger
Kopf in den Straßen von Paris umher« getragen. Um 8 Uhr Morgens flüchteten
sich König und Königin auf Röderer's
Vorstellungen in die Nationalversamm»
lung. Kaum war dieß geschehen, so be-
gannen die furchtbarsten Schauderscenen.
Zerstörung und Blutströme bezeichneten
die Schritte der Freiheitsapostel. Indessen
wohnten Ludwig und Maria Antoi-
nette der sechzehnstündigen Sitzung der
Nationalversammlung bei. wo sie in dem
Gitterverschlage eines Schreibers Zeugen
der empörendsten Aeußerungen und end»
lich des Beschlusses waren: daß dem
Könige von nun an die Ausübung seiner
Gewalt genommen sei, und er mit seiner
Familie in das Kloster der Feuillans
gebracht werden solle. Dort wurden
ihnen auch wirklich vier enge Zellen zur
ohuuug angewiesen. Bis zu diesem
Augenblicke war Frau von Camp an,
welcher wir über die Geschicke der könig-
lichen Familie bis zu ihrer eigentlichen
Gefangenschaft die ausführlichsten und
authentischen Mittheilungen verdanken,
mit derselben vereint geblieben. Ihre Bitte,
der Königin in die Gefangenschaft folgen
zu dürfen, wurde ihr abgeschlagen. Ais
zum 13. August noch wohnte der König
mit den Seinigen den Sitzungen der
Nationalversammlung bei. Seit diesem
Tage waren der König und die Seinigen
Gefangene im Tempel, wo sie die empö'
rendste Behandlung zu erdulden hatten.
Am 3. September fand die entsetzliche
Ermordung der Prinzessin Lamb alle
Statt. Es wurden alle erdenkbaren Plane
zur Befreiung des Königs und der Seim-
gen aus der Gewalt dieser immer weiter
greifenden Hochverräther entworfen, und
wieder verworfen. Am 17. August eröff-
nete unter dem Vorsitze Robespierres
das Blutgericht seine Schranken. Am
7. November brachte Jean Mai l he im
Namen des Geschgebungsausschuffes im
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Habsburg-Hartlieb, Volume 7
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Habsburg-Hartlieb
- Volume
- 7
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1861
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 472
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon