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Harlmamt l0 Hartmann
schaften haben dem Menschen auch die Anw
kennung und ehrende Theilnahme erworben,
wo der Dichter als solcher nur dem Namen
nach bekannt war. In Frankreich wie in Eng«
land, wo er seit fünf Jahren lebte, durfte er
sich der Achtung der Besten erfreuen. In ehren«
voller Armuth, nur seiner Kunst und seinen
Studien lebend, mit edlem Stolze jede Unter»
stützung von Seite seiner Partei abweisend,
voll Liebe und Begeisterung für Deutschland,
an dessen großer Zukunft er mit gläubigem
Vertrauen festhielt, erschien er überall als ein
würdiger Vertreter deutschen Charakters und
deutscher Bildung. Seine anmuthvolle Per>
sönlichkeit, seine Herzensgüte, seine Milde im
Umgänge, seine Unfähigkeit zu parteivoller,
hassender Ausschlicßlichkeit hatten ihn in den
Jahren 1848 und 1849 selbst Solchen werth
gemacht, wo politische Stellung und Ansichten
ihm feindlich gegenüberstanden. Moriz Hart-
mann, der Mensch und Dichter, hatte SyM'
pathien unter allen Parteiungen und man darf
sagen, er habe keinen Feind gehabt." sAußer
Gustav Kühne. Bemerk, des Herausgebt —
Weniger schmeichelhaft als die bisher angeführ-
ten Urtheile ist jenes von Heinrich Heine über
Hartmann, welches lautet: „Ei nun, Moriz
Hartmann ist ein schöner junger Mann, und
ich bin überzeugt, daß sich alle Frauen der
Welt in ihn verlieben, die neun Musen aus-
genommen, die mögen ihn nicht, das haben
mir scine Gedichte bewiesen". Heine sprach
wohl dieß mehr um wieder einmal witzig auf
fremder Lcute Kosten zu stin. — Ein großer
und durchaus nicht unbefangener Gegner H a r t-
mann's ist Gustav Kühne, drr Hart-
mann bei jedrr Gelegenheit ^man velgl. die
„Europa" 1833, Nr. 7, L. 53: „Moriz H art-
mann alö Troubadour", und dieselbe lü30,
S. 183 .- „Moriz H a r t m an n und seine böh-
mische Rauberromantik"^ nicht beurtheilt, son-
dern verfolgt. Dergleichen Ergüsse subjektiver
Anschauungen fördern die Würde der deutschen
Kritik nicht. — Wenig ermunternd, aber nicht
so gehässig wie Gustcw Kühne, beurtheilt
Johannes Minckwitz unsern Dichter. „Nach
Hartmann's politischen Zielen, schreibt
Minckwitz , wollen wir nicht fragen; sie mögen
so edel sein, als er sich dieselben vielleicht vor-
stellt, sie mögen ihm erreichbar scheinen, uns
nicht. Das ist Nebensache, wo cs sich um
poetische Leistung uno deren Würdigung han-
delt. Und da sehen wir denn, daß er seine
lyrischen Reimereien über Politik ebenso gut
hätte in Prosa abfassen können, wie seine übrigen Zeitungsartikel; die Welt hat durch
die Versisicirung nichts gewonnen. Denn seine
politischen Lieder sind nichtssagend im Allge»
meinen, Ergüsse ohne den Hintergrund eines
festen Prineips in Besonderem, meist grobe
und unwitzige Ausfalle, die in der Pfaffen-
chronik des „Mauritius" ihren widerwärtigsten
Ausdruck gefunden haben. . . . Was die un-
politische Parthie seiner Lyrik betrifft, so ist
sie theils zwecklos und unbedeutend, da man
sich vergebens nach einem tieferen Gehalte in
den Liedern umsieht, theils überflüssig, da selbst
dasjenige, was leidlich sich ausnimmt, darunter
einzelne Liebeslieder, von Anderen bereits besser
dargestellt ist. Eine zeitlang gab es Bewun-
derer seiner ersten Producte, indem man sie
ihres kecken Freisinnes wegen loben zu müssen
glaubte. Später, alö man die Fadheit seiner
Lyrik einsah, bemühten sich unsere Zeitungs«
schreiber wenigstens die neuesten Producte des
viel umhergeschlagenm „Dulders" vor der Ver»
dammunu zu retten, indem sie in den „Zeit-
losen" eine glückliche Reife seines Talentes
erblicken wollten. In der That, prüfen wir
diese „Zeitlosen", so finden wir theils eine vcr<
unglückte Nachahmung der Heine'schen Manier,
theils die frühere Plattheit." — Anders klingt
das beredte Urtheil seines Freundes, Hierony-
mus Lorm.- „Neben der tiefen, gesunden,
kräftigen Lyrik aus reiner naturwüchsiger Inner-
lichkeit entsprossen, tritt uns in H.'s politischen
Dichtungen eine nicht genug zu schätzende
epische Gestaltung der durch die Politik erzeug-
tm Empfindung entgegen. Indem H. der durch
die politischen Zustände erregten bitteren Refle-
xion durch Hinstellung eines sie repräsentirenden
Charakters oder durch Erfindung einer Bege-
benheit eine positive Grundlage gibt, lehnt er
seine Poesie an Geschehenes, an eine, wenn
auch nur in der Phantasie vorgekommene
Geschichte und seine politischen Gedichte erhal-
ten dadurch neben dem Werth der Gesinnung
auch einen weit über den Moment hinaus-
ragenden ästhetischen Kunstwerth. . . Hart-
mann's „böhmische Elegien", in ihrer Kraft
und zauberhaften Wehmuth kaum an Lord
Byron's „Hsdrs^iOloäiLä" ihres Gleichen
findend, in ihrem echten historischen Schmerze
alle sogenannten politischen Gedichte der Gegen-
wart weit überragend und höchstens von
Platen's „Polenliedem" erreicht, werden als
die erste Verherrlichung des unglückseligen, der
Apotheose so werthen Böhmen in der deutschen
Poesie eine fort und fort mit der Zukunft
immer stärker tönende Brücke zwischen beiden
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Volume 8
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Hartmann-Heyser
- Volume
- 8
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1862
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon