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Haydn Michael 148 Haydn Michael
reicher" (!«38). Bd. I, S. 14!,, schreibt über
dieses Denkmal Mich. Handn's: „Sein Kör«
per liegt am Fuße der Stufen, die von der!
kleinen Kirche des h. Ruprecht zu der ft'apelle
und Zelle des h. Marimus führen; sein Haupt
aber ist in einer Urne von schwarzem Marmor
eingeschlossen, die auf dem Denkmale steht,
welches ihm in dcr benachbarten Kirche der
Benedictinrr errichtet worden ist. Dieses
Denkmal ist vielleicht nicht im reinsten Ge-
schmacke, macht aber dennoch Eindruck. Das
Gestcll, welches die Urne trägt, steht auf einem
bemoosten Felsen, aufwelchem weiße Marmor<
tafeln angebracht sind, worauf man die ersten
Tacte seiner bcwundertsten Kompositionen
erblickt. Am meisten ist das Bündel von
kupfernen Strahlen zu tadeln. welches eine
Art Heiligenschein bildet und sich von der Decke
bis zur Urne erstreckt. Das sieht abscheulich
aus . . . "
V. Urtheile und Charakteristiken Michael
Haydn'5 und seiner Ml'.liK. I n neuester Zeit
erst schreibt Karl Moyses in Bagge's
deutscher Musik.Zeitung (i8l>0) über Michael
H aydn.- „Ein schöpferisches Talent kann nur
dann ein wahres und vollendetes Kunstwerk
liefern, wenn es für den zur Behandlung er«
wählten Gegenstand mit Liebe und Begeisterung
durchdrungen ist. Dieß war nun bei H. der
Fall, der als echter, gläubiger Christ, seinem
Gott und seiner Kirche aus ganzer Seele crge«
ben. fast ausschließlich sein schöpferisches Talent
zu deren Verherrlichung weihte und seinen
Kompositionen die ganze Tiefe seiner religiösen
Empfindungen verlieh, welche Gefühle des
Autors dei deren Anhörung auch im Hrrzrn
jedes Gläubigen wieder wachgerufen werden.
Die einfachen heil. Tertworte der Kirche, welchr
durch das Gepräge ihrer kindlichen Poesie und
durch ihre hohe Beziehung das Gemüth des
Menschen in Anspruch nehmen, waren es,
welche unserem wahrhaft religiösen H. am
meisten zur Bearbeitung entsprachen. Jede
Stelle in seinen Kirchenschöpfungen ist rin
offenes G'.ständniß seines Glaubens, in jeder
Stelle athmet der Geist des herzlichsten und
feierlichsten Lobes des Allerhöchsten. — Gnl'
fernt von dem Streben, mit seinen Composi-
tionen zu glänzen, genügte es ihm, die Herrlich-
keit Gottes durch den Zauber der Harmonien
vor den Herzen einer andachterfüllten Ge-
meine, wo auch diese sich versammeln wollte,
zu entfalten. Diese Anspruchslosigkeit und der
Umstand, daß in seiner Lcbensepochc die Auf-
hebung von Stiften und Klöstern erfolgte, in denen Kirchenmusik allein die wahre Würdi-
gung fand, wirkten hindernd an der Verbrei»
tung seiner Meisterwerke und legten Hindernisse
in den Weg, sür seinen von aller Verschnör«
kelung und Tändelei entfernten, einfachen, har-
nw nievollen und originellen Styl Nachahmer
zu gewinnen, oder eingehendes Studium seiner
Partituren zu bewirken. Trotzdem, daß H. auf
diese Wrise wenig Anregung von Außen zum
künstlerischen Schaffen hatte, so arbeitete er in
dem kirchlichen Fache, welches eigentlich die
Sphäre seines Genius war, mit rastloser Thä-
tigkeit; dabei gingen alle seine Werke, worin
er sich immer gleich erhaben blieb, aus schöpfe«
rischem Dränge hervor; nie war es Eigennutz
oder Begierde nach Reichthum, welche ihn zur
Arbeit anspornten. Von diesem edlen Gefühle,
welches überhaupt einem Künstler bei seinem
Schassen jeder andern Nebenabsicht voran
gehen soll, geleitet, schrieb auch unser H. die
sogenannten „Gradualien" für alle Sonn-
und Festtage, welche an die Stelle der früher
zwischen Epistel und Evangelien gebräuchlichen
langweiligen und gehaltlosen Symphonien ge«
kommen sind. Diese Coinpositionen, welche
neben Anderen auch der damalige Churfürst
von Würzburq copiren ließ, hatten sich der leb«
haftesten Anerkennung zu erfreuen, trugen aber
dem anspruchslosen Meister nichts ein, welcher
sich mit dein Gefühle begnügte, daß durch deren
Aufführung die Verherrlichung Gottes gefeiert
werde. In Hinsicht auf den Nutzen der Michael
Haydn'schen Kompositionen für die Kunst'
bildung werden seine Partituren für die Zu-
kunft von den Lehrmeistern zur Bildung ihrer
Schüler und zur eigenen Vervollkommnung
als beste Muster angewendet werden können.
Schwerlich wird man einen durchgehende rei'
ueren Satz alö den seinen sinden. Ungezwungen
ist sein Fortschreiten im Gesänge, die Verdop-
pelung der Intervalle einsichtsvoll berechnet,
der Grnndbaß genau und richtig beziffert, der
(Kontrapunkt und die Imitation mit mcister»
hafter Gewandtheit behandelt, ferner ist den
Mittelstimmen, welche eigentlich zur Ausfül«
lung der Harmonie bestimmt sind, für sich allein
auch eine Art des Gesanges zugewiesen. In der
Begleitung des Chorals, den Haydn mit
besonderer Vorliebe behandelte, überrascht er in
ebenso verschiedenen als unerwarteten Harmo-
nien. Rhythmisches und ästhetisches Gefühl
haben ihm schon die Götter in der Wiege mit»
gegeben, daher verstand cr es auch, den Geist
der Worte in das Reich der Töne einzuführen."
— F r öl) lich, der Biograph beider H aydn,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Volume 8
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Hartmann-Heyser
- Volume
- 8
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1862
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon