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Heinrich 227 Heinrich
die kaufmännische Laufbahn; er brachte
es in solcher zu großer Wohlhabenheit,
besaß mehrere Fabriken und zahlte zu
den ersten Großhändlern seiner Heimat.
Zugleich war er ein großer Freund der
Musik, ohne jedoch damals noch tiefere
Kenntniß in derselben zu besitzen. I n
seinem Geschäfte unternahm er weite
Reisen und erwarb sich Sprachkenntniffe.
Die Finanzkrisis des Jahres 1811, ein
gewissenloser Buchhalter und mißlungene
Speculationen brachten ihn um sein Ver-
mögen. Der einst reiche Mann, nun fast
ganz verarmt, verließ Europa und segelte
mit dem geretteten Reste seines Ver-
mögens nach Amerika, um daselbst ein
neues Geschäft zu beginnen. Aber es
wollte nicht glücken und Alles, was H.
in Amerika fand, war eine Frau, mit der
er nach Europa zurückkehrte. Die böh-
mische Luft sagte der Amerikanerin wenig
zu und bald, nachdem sie von einer
Tochter entbunden worden, begab sich H.
mit ihr nach Amerika zurück, die Tochter
der Obhut eines Freundes überlassend.
In Amerika verlor H. bald darauf seine
Frau. Seine Versuche, die in Böhmen
zurückgebliebene Tochter nach Amerika
kommen zu lassen, scheiterten an der
Gewissenhaftigkeit des Freundes, dem er
sie anvertraut und der entschieden erklärte,
das Kind in Niemands als in des Vaters
eigene Arme zu legen. Als H. für sich
selbst einen Entschluß fassen mußte, da es
mit den Geschäften des Handels nicht
recht fort wollte, betrat er als Concertist
und Compositeur eine neue Laufbahn;
er spielte im Orchester verschiedener
Theater in Nordamerika; endlich gelang
es ihm Redacteur einer deutschen Zeitung
in Kentucky zu werden. Aber je mehr
seine Lage sich verbesserte, desto mehr
wuchs seine Sehnsucht nach seiner Tochter
und Heimat; er verließ cilso die neue Welt und segelte nach London. Auf der Reise
hatte er das Unglück, den Zeigefinger
der linken Hand zu brechen, welcher zwar
geheilt worden, doch krumm geblieben ist.
Nun hatte es auch mit dem Violinspielen,
worin er eine große Fertigkeit besaß, ein
Ende; überdieß war, als erLondon erreicht
hatte, auch seine Barschaft auf die Neige
gegangen. Jetzt verlegte sich H. auf
die Composition, zu der er schon früher
Talent gezeigt. I n Amerika nämlich war
von ihm einmal ein Festlied verlangt
worden. Ohne alle Kenntniß in der Com-
positionslehre hatte H., der ein seltenes
angeborenes musikalisches Talent besaß,
seine Aufgabe gelöst und man war mit
seinem Werke ganz zufrieden. Jetzt erst
begann er das Studium der Har«
monielehre, die ihm ein Deutscher bei»
brachte. Mehrere Kompositionen, die er
öffentlich vorgetragen hatte, steigerten
seinen musikalischen Ruf in Amerika, was
vom Gesichtspuncte der Kunst, die bei
den Jankees nicht als solche, sondern
nur als Mittel zu prunken gilt, eben nicht
zu viel sagen will. Man erzählt sich
nun,
daß H. in seinem heiligen Feuer für die
Musik und im Kummer über alle seine
zerstörten Lebenshoffnungen, noch als er
in Kentucky lebte, sich in eine Wildniß
zurückgezogen und daselbst ausschließlich
der Einsamkeit und feinen musikalischen
Inspirationen gelebt und in dieser Zeit
die meisten gigantischen Werke geschaffen
habe, die spater seinen Ruf begründeten.
Dieser in Amerika erworbene Ruf und
diese seine Kompositionen waren ihm
in London, wo auch weniger der echte
Künstler als derjenige vorwärts kommt,
dem es gelingt, Bruder John recht zu
verblüffen, von Nutzen. Seine Compo«
sitionen wurden gut aufgenommen und
erschienen im Stiche. Sieben Jahre hatte
H. in London gelebt und endlich die
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Volume 8
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Hartmann-Heyser
- Volume
- 8
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1862
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon