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Herloßsohn Herloßsohn
nlichtsbllnm !tsZc>" (Buch der Lieder, S< 39)
klagt er seinen Vater an, daß er ihn
kalt in die fremde Welt getrieben, ihm
seinen Glauben und auch sein Glück ge-
stohlen, ihn nicht beten und nicht lieben
gelehrt und ihm nicht Einen Liebesblick
geschenkt habe und ruft dem damals
schon Verstorbenen zu: „Und finden wir
uns, nun, so sei eS spät"; er singt in
demselben Gedichte von seiner Mutter:
„Du hast geirrt, doch war im Irrthum
Liebe". Herloßsohn selbst vermied es,
über jene Zeit zu sprechen. 7 Jahre alt,
kam er in die Pfarrschule zu St. Niklas
und war ein steißiger Stu«
diosus; Professor Kauba verwendete
sich für den wißbegierigen Knaben, in
Folge defsm er durch einen Canonikus
an der Allerheiligen Stiftskirche in
Prag unentgeltlichen Unterricht im Fran-
zösischen erhielt. Mit 16 Jahren. 1820,
kam H. auf die Universität, wo ihn
der gemüthvolle, auch bereits dahinge>
gcmgene W. A. Gerle M n d . V,
S. 155^, kennen lernte, mit dem H.
bis an seinen Tod einen vertraulichen
Briefwechsel unterhielt. I m Jahre 1820
trat H. mit seiner ersten Arbeit in die
Oeffentlichkeit, es war die in Müller 's
Taschenbuche „Feierstunden" abgedruckte
Novelle „Tnne lü°l w den Tod". Die
traurigen häuslichen Verhaltnisse trieben
H. aus Prag fort und er kam nach
Wien — ohne Empfehlungen, ohne
Mittel — bei einer ihm unbekannten
Großtante anfänglich den Mittagstisch
erhaltend, den er aber bald verlor,
worauf er eine Schule der Leiden und
Entbehrungen durchmachte, die jedoch
sein Herz nicht zu erhärten vermochten.
Während er hungerte, war es ihm doch
gegönnt, sich in der Universitätsbibliothek
zu wärmen und dieses Asyl besuchte er
auch so oft er konnte. Seine Absicht, unter die Freiheitskämpfer Griechenlands
— denn eben war der griechische Aufstand
ausgebrochen — zu gehen, wurde durch
polizeiliche Maßregeln vereitelt, und als
er in seiner schlimmsten Noth bei Zacha»
rias Werner Hilfe suchte, war er nahe
daran, über dessen Zureden Ligourianer
zu werden, aber der Himmel beschützte
ihn vor diesem Auswege der Verzweif-
lung. Unter solcher Noth brach das Jahr
1822 an und es schien sein Los sich
bessern zu wollen, denn ein Brief aus
Prag forderte ihn zur Rückkehr dahin
auf, um eine Stelle als Hauslehrer zu
übernehmen. H. folgte diesem Rufe eines
freundlicheren Geschickes, das sich aber
nicht erfüllen zu wollen schien, denn die
ihm in Ausficht gestellte Hauslehrerftelle
erhielt er nicht; er fristete also mühsam
sei armseliges Dasein fort, schrieb sich
mit Gedichten seinen Jammer weg und
trat in Verkehr mit den damaligen
Literatm Prags und mit Theodor
Hell in Dresden — diesem liebens«
würdigen Schirmherrn aller jungen Poe«
ten jener Zeit — in briefliche Verbin-
dung. I n diesem Jahre erschien auch
seine zweite Novelle, betitelt: „Gine Nacht
in den Apenninen" in der Zeitschrift „Kranz".
Im November 1823 erhielt H. durch
Verwendung eines Professors eine Haus-
lehrerstelle bei dem Amtsdirector Pro-
chaska auf dem Gute Dewitz, das
eine halbe Stunde von Prag entfernt
lag. Dort hatte er drei Mädchen und
einen Knaben zu unterrichten, konnte die
juridischen Studien privatim fortsetzen
und überdieß in der Kanzlei im Justiz»
fache arbeiten. So glücklich war H. bisher
nicht gewesen: mit Lust und Liebe lag er
seinem neuen Geschäfte ob, dichtete
nebenbei steißig Dramen und Lyrisches,
wovon jedoch nur einiges Lyrisches später
n die Oeffentlichkeit gelangte, es waren
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hartmann-Heyser, Volume 8
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Hartmann-Heyser
- Volume
- 8
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1862
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon