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die er besaß, eignete er sich Kenntnisse an,
die ihm bei der Rolle, die er spielte,
nutzten. So sprach er geläufig deutsch
und hatte sich aus der Lecture guter
deutscher Schriftsteller — während seines
Aufenthaltes in Wien beklagte er sich,
daß ihm Klopstock etwas schwer ver»
standlich sei — so zu sagen eine eigene
Philosophie gebildet. Vermögenslos zwar
und bis 1784 bei nahen Verwandten
lebend, brachte ihn eben seine kirchliche
Stelle in nahe Berührung mit dem
Volke, dessen Leiden er, selbst aus dessen
Mitte, genau kannte. Der Haß gegen die
Gewaltthätigkeiten der Edelleute ver»
wandelte sich bald in Haß gegen diese
überhaupt; dazu gesellten sich das Ver«
langen nach Eigenthum für sich und seine
unterdrückten Landsleute und die Liebe
zu einer Freiheit, die weitaus die gesetz»
lichen Schranken überschreitend, ihn auf
jenen Abweg führte, der seinen Sturz und
sein entsetzliches Ende zu Folge hatte.
Seine geistigen Vorzüge und seine Ueber-
legenheir waren Ursache, daß ihn seine
Landsleute zum Bauernrichter wählten
und als solchen 4784 nach Wien sandten,
um vom Kaiser für die im Zarcmder
Comitate gelegene Ortschaft Brad die
Marktgerechtigkeit zu erbitten. Horjah
erhielt Audienz und wurde vom Kaiser,
vor dem er sich auch über den Druck des
siebenbürgischen Adels beschwerte, mit
günstigen Versprechungen entlassen. Nach
seiner Abreise von Wien kam er am
28. October in Brad an, wo auf dem
neuen Jahrmärkte die Wallachen in großer
Menge versammelt waren. Hor jah
traf mit ihnen Abrede, daß sie sich in drei
Tagen an bezeichneter Stelle auf offenem
Felde einsinden sollten, wo er ihnen im
Namen des Kaisers wichtige Dinge mit»
zutheilen habe. Die Versammlung fand
Statt und Hor jah theilte ihnen nun-
v. Wurzbach, biogr. Lexikon. IX. mehr seinen Anschlag zur Vertilgung des
Adels mit und die auf Bewilligung des
Marktrechtes bezüglichen Schriftstücke
wies er als kaiserliche Patente vor, welche
sein Borhaben billigten. Das unwissende
Volk glaubte ihm und auf ein kupfernes
von ihm als golden bezeichnetes Kreuz, das
er am Halse trug. schwuren nun Alle. Es
war beschlossen worden, den Winter über
unter den Wallacken neue Anhänger für
den Aufruhr zu werben und im kommen»
den Mai sollten alle Edelleute an einem
Tage ermordet werden. Jedoch die Ver«
schwörung wurde noch vor der Zeit ent«
deckt und Horjah gefangen genommen,
aber von seinen Cameraden gewaltsam
befreit. Nun war aber Horjah zur
Ueberzeugung gekommen, daß, wenn er
sich retten wolle, die Sache auch nicht
länger aufzuschieben sei und der Aufruhr
brach sofort los. An der Spitze von mehr
als 13.000 Wallachen begann H. seinen
Kampf gegen den völlig unvorbereiteten
Adel. Die dabei verübten Gräuel zu
schildern sträubt sich die Feder; Hunderte
von Edelleuten wurden auf das grau»
samste ermordet; ganze Familien aus«
gerottet; manches adelige Fräulein leben»
dig begraben; andere mit Gewalt an
irgend einen wilden Wallachen gebunden,
und als grotesker Humor dieser Schand»
thaten wurden Mönche mit alten Zigeu»
nennen verheirathet. Die Landesregie«
rung befand sich in einer Verlegenheit
sonder Gleichen; ehe gemessene Befehle
von Wien kamen, bot man Alles auf. die
aufrührerischen Bauern zu besänftigen;
der griechische Bischof nebst einigen Com-
miffären begab sich unter sie und suchte
sie zu beruhigen, zugleich wurde Militär
aufgeboten; die Edelleute aber bewaffne»
ten sich nun selbst gegen die Rebellen und
übten gräßliche Rache au jedem Bauer,
der in ihre Gewalt gericth. Nun wurde
3.Oct. !862.) 13
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Hibler-Hysel, Volume 9
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Hibler-Hysel
- Volume
- 9
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1863
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 518
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon