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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Károlyi-Kiwisch, Volume 11
Page - 84 -
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Page - 84 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Károlyi-Kiwisch, Volume 11

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AauniH Kaunitz von seinem Stande, gütig und herablassend gegen Niedere, ernsthaft ader gegen Alle und immer, auch wohl, in Anwandlungen von Nnmuth, kurz und derb. Es werden, beson» ders in seiner spateren Zeit, viele Menschen Jahrelang um den Fürsten Kaunitz gewesen sein, ohne ihn lachen gesehen zu haben. Nie hat wohl ein Minister an irgend einem Hofe ein größeres Vertrauen und längere Zeit hindurch genossen, als Kaunitz an dem sei« nigen. Es war auf die vollkommenste Ueber» zeugung von seiner Rechtschaffenheit und von seinen Einsichten gegründet. Daher wurde ihm alles nachgesehen. Er ging in das Cabinet der Kaiserin Mar ia Theresia, unter deren Regierung bei Hofe noch eine sehr strenge Etiquette beobachtet wurde, im Frack und mit Stiefeln, wie er eben von der Reitbahn kam; und weil die Kaiserin im Sommer und Win« ter die Fenster stets offen, Kaunitz die seini- gen aber immer geschlossen hatte, so war bei seinem Eintritte in der Kaiserin Zimmer das Erste, daß er die Fenster Zumachte, damit die Luft ihm nicht schade und dann erst wendete er sich an die Kaiserin, um mit ihr zu sprechen. Kaiser Joseph I I . , der im eigentlichsten Sinne selbst herrschen wollte und sich allen Geschäften gewachsen glaubte, zog nicht immer den Fürsten zu Rathe, und wenn er es auch that, so befolgte er nicht immer des Fürsten Meinung. Dennoch behielt er für ihn alle äußere Achtung bei. So lange Joseph re» gierte, kam Kaunitz nicht mehr nach Hofe, sondern der Kaiser, wenn er ihn sprechen wollte, ging zu ihm und dieß geschah sehr oft. Er ließ sich vorher gewöhnlich melden, und oft ließ ihm Kaunih sagen.- er könne kom< inen, aber er werde ihn noch im Bette finden. Der Kaiser nahm das nicht übel, und besuchte ihn, während derselbe noch seiner Ruhe pflegte. Er nahm an den kirchlichen Reformen des Kaisers Joseph einen rühmlichen Antheil und hatte dazu schon unter Mar ia The« resia die Bahn gebrochen. Zu Rom war man sogar überzeugt, daß alle diese verhaßten Reformen von Kaunitz allein herrührten, und selbst in der Ministerial»Correspondenz, welche zwischen Rom und der Nunnatur in Nien geführt wurde, die aber der Staats» kanzlei nicht geheim blieb, wurde Kaunitz nie anders, als der ketzerische Minister (il ministi-o erstioo) genannt. Als der Papst nach Wien kam und mit dem Kaiser an der Burgtreppe aus dem Wagen stieg, kam ihm Kaunitz entgegen. Der Kaiser präsrntirte ihn mit einem schmeichelhaften Complimente dem Papste, und dieser, aus Uebermaß von Politik, reichte ihm nicht den Rücken der Hand, sondern das innere derselben zum Küs» sen dar. welches nach päpstlichem Begriffe die größte Gnadenbezeugung war. Der Fürst that aber, als ob er nichts von dieser Eti- quette verstünde, nahm die ihm vom Papste dargebotene Hand, und drückte sie nach alt< deutscher Sitte in die Seinige. So war wohl noch kein Papst bewillkommt worden. Ge< wohnlich besprach sich Kaiser Joseph lange mit Kaunitz, ehe er eine Reise antrat. Bei dem Anfange der Scheldestreitigkeiten mit Hol» land hatte der Kaiser bekanntlich Befehl gege« ben, mit einer österreichischen Fregatte die Schelde hinunter zu fahren, und es darauf ankommen zu lassen, ob die Holländer, wie sie drohten, auf diese Fregatte schießen und damit die Streitigkeiten anfangen würden. Joseph nahm Abschied bei dem Minister, um nach Ungarn zu reisen, und als dieser ihn zu wiederholtenmalen fragte: „was. Se. Ma» jestät auf den Fall befehlen, wenn die Hol» länder schießen sollten", antwortete der Kaiser immer mit großer Zuversicht: „sie werden nicht schießen" und sing gleich von anderen Gegenständen zu sprechen an, indem er die Gründe des erfahrenen Rathgebers durchaus nicht hören wollte. Bald darauf kam die Nachricht an, daß die Holländer auf die Fre- gatte geschossen hätten. Kaunitz sandte diese Nachricht an den Kaiser, bloß mit den Wor» ten - „Ew. Majestät werden aus dieser De» pesche ersehen, daß die Holländer dennoch geschossen haben". Nur gegen das Ende I o« seph I I . , da dieser Monarch schon sehr krank war und das Zimmer hüten mußte, die poli- tischen Angelegenheiten aber in Rücksicht auf den noch nicht beendigten Türkenkrieg, die englisch'preußischen Rüstungen und die Bewc- gungen in Ungarn äußerst bedenklich waren, ging Joseph nicht mehr zu Kaunitz, son- dern sandte den Baron Spie lmann, dama- ligen Chef der Staatökanzlei, welcher hierdurch erst einen entscheidenden Einfluß in die aus» wärtigen Angelegenl-eiten erhielt. Dieser Ein. siuß ward desto stärker, als nach Joseph'S Tode Leopold I I . die auswärtigen Geschäfte auf eben die Art zu behandeln fortfuhr, den Fürsten Kaunitz zwar auch einigemal be- suchte, aber wenig zu Rathe zog, hingegen desto mehr in allem den Rath des Baron Spiel« mann befolgte, so daß Kaunitz endlich dar< über eifersüchtig wurde; und vielleicht hat dieß
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich Károlyi-Kiwisch, Volume 11
Title
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Subtitle
Károlyi-Kiwisch
Volume
11
Author
Constant von Wurzbach
Publisher
Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
Location
Wien
Date
1864
Language
German
License
PD
Size
13.41 x 21.45 cm
Pages
498
Keywords
Biographien, Lebensskizzen
Categories
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