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Kaunitz Kaunitz
dazu beigetragen, daß bald darauf, unter
Franz I I . . der Varon Sp ie l mann außer
Wirksamkeit gesetzt wurde, und der Fürst Kau»
nitz, der inzwischen schon ganz von den Ge»
schäften entfernt war, wenigstens den Anschein
wieder erhielt, als wenn er dabei zu Rathe
gezogen würde. Dessen ungeachtet fuhr man
immer fort, dem alten Minister mit besonderer
Auszeichnung zu begegnen. Kaum war Leo-
pold's I I . Gcmalin in Wien angekommen,
so machte sie dem Fürsten den ersten Besuch,
führte ihm die Erzherzoge, ihre Söhne auf,
setzte sich zu ihm auf den Sopha, und ließ
die Erzherzoge rund herum Platz nehmen. Es
war einmal seit Mar ia Theresia bei Hofe
Ton geworden, dem Fürsten Kaunih mit der
größten Schonung und Auszeichnung zu be>
gegnen, und auch Franz I I . that es, obschon
Kaunitz seit dieses Monarchen Regierung
wenig Einfluß hatte. Kaunitz hatte den
Grundsatz, seine Meinung zwar in allen Ange«
legenheiten frei zu sagen und mit Gründen zu
unterstützen, aber nie hartnäckig darauf zu
bestehen oder sich zu ereifern, wenn man sie
nicht annehmen wollte. Gingen dann die
Sachen übel, so erinnerte er bloß mit wenigen
Worten qn den von ihm gegebenen Rath. Als
der letzte Krieg mit Frankreich eine unglückliche
Wendung nahm, sagte er an der Tafel, da
von den Iacobinern und den bekannten Mini»
sterialbriefen, welche wegen derselben zwischen
dem kaiserlichen und französischen Hofe vor
dem Ausbruche des Krieges gewechselt worden
sind, die Rede war: „Hätte man mir geglaubt,
so hätte man diesen Herren (den Iacobinern)
nicht so viele Ehre erwiesen", nämlich, ihre
Sache nicht in die Ministerial« Correspondenz
zu mengen, welches die eigentliche Ursache des
Krieges war. Uebrigens nahm sich Kaunitz
nie einen üblen Erfolg zu Herzen. Nichts
unterbrach seine Ruhe, seine Bequemlichkeit
und seine häusliche, bis auf das Acußerste in's
Kleinliche gehende Ordnung , und es möchte
wohl stets ein Flecken in seinem Ministerial-
Leben sein, daß sich der letzte, am Wiener Hofe
gestandene französische Botschafter, der Mar«
quis von Noai l les, in seiner eben erwähnten
Ministerial« Correspondenz beschwert, es sei
ihm nicht möglich gewesen, die letzte Depesche,
von welcher die Entscheidung einer so wich«
tigen Sache, als Krieg oder Friede mit Frank«
reich, abhing, dem Fürsten selbst zu übergeben,
und mit ihm darüber zu sprechen. Der viel«
erfahrene Greis hatte endlich einen sehr sanften
Tod. „Mit dem beruhigenden Bewußtsein", so schließt der oben angeführte handschriftliche
Aufsah, „dk Pflichten des Menschen. deS
Staatsbürgers und Ministers genau erfüllt,
und Niemanden mit Vorsatz geschadet zu
haben, starb er lcbens» und ruhmessatt den
27. Juni 1794 an Entkräftung in dem Alter
von 83 Jahren, 4 Monaten und 23 Tagen.
Gerechtiakeitölirbl. Billigkeit gegenIedermann.
Uneigennützigkeit. Mäßigung, Klugheit und
Thätigkeit in der Ausführung seiner Staats,
vrojecte. vereinigt mit einer ganz eigenen
Glrichmüthigkeit. welche den Ausbruch aufwal.
lender Regungen zu hemmen wußte, machen
die hauptsächlichsten Züge in seinem mora»
tischen Charakter aus, und stellen in seiner
Person ein Muster sür hohe Staatsbeamten
auf, welches für sie immer nachahmungs.
würdig bleiben wird."
V. Grabdenkmal. Der Fürst Wenzel Anton liegt
in der Familiengruft, welche sich in der von
ihm erbauten schönen Pfarrkirche der Stadt
Austerlitz in Mähren befindet, begraben. Sein
Denkmal hat folgende Inschrift: D. 0. 21. 8.
sti-uotoris, WOQösslai ^ntouii 8. N. I.
I>rwo5Fi8 äs Xauuits, OonuMs
H.uroi vsllerig ot i-hM oräiui3 8ti.
xkaui sguitis m^oris erueis, gui Oarolo VI.,
FidUL, ^oZeglio II., I^ soZoläo I I . ot I'i-ÄN-
pIuriniiL 1eg2.tiouidN5 aä sxtsros i-LZss st
I.XXXIII, inen362 IV, äi62 XXV, molta.
litatsin exuit anno 82.1u,tilz olIl^ O<ÜX<I!IV,
Ni-U68tu.5 OliriLtopdoruL, 8. K. I.
^rincL^L, ^.ui-Li VsNoriL sgu.66, iQ H.u,FULta
I) oitiini cuä ^.n cl,i>6 «.3 aurei vsllori2
oiLou8 ^Vsno63iaU3, in exsroitidus
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Károlyi-Kiwisch, Volume 11
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Károlyi-Kiwisch
- Volume
- 11
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon