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Kern 188 Kerir
dend geblieben. Ein Bauer mit einem
häßlichen Geschwüre am Schenkel, welches
vernachlässigt, weit um
sich gegriffen hatte
und in einem schaudererregenden Zustande
sich befand, suchte seine Hilfe. Kern. ob«
gleich an den Anblick ähnlicher Zustände
gewohnt, entsetzte sich jedoch vor diesem
Phänomen. Ehe er an eine Behandlung
des vernachlässigten Uebels schreiten
konnte, rieth er dem Bauer vorerst die
weit'verbreiteten Geschwüre mit lauem
Waffer zu reinigen. Bei der übergroßen
Beschäftigung vergaß er auf seinen
Patienten, der sich auch nicht meldete, bis
nach einiger Zeit das Weib desselben bei
K. mit der Frage erschien, ob ihr Mann
mit den lauen Umschlägen fortfahren
solle, da ja das Geschwüre schon fast
ganz verheilt sei. Kern stutzte über
diese Nachricht, eilte zu seinem Patienten
und fand die Sache so, wie das Weib
berichtet hatte. Diese Thatsache beschäftigte
ihn ernstlich und war so zu sagen der
erste Anstoß zu seiner spater als Grund-
princip aufgestellten Vereinfachung in der
Behandlung äußerer Schäden. Bei seiner
Entlassung aus den herzoglichen Diensten
erhielt K. eine Summe von 300 Gulden.
Mit dieser und seinen Ersparnissen unter-
nahm er vor Allem eine Reise durch
Deutschland, Italien und Frankreich und
bereitete sich zunächst vor, das Doctorat
der Chirurgie zu erwerben. Er begab sich
4786 nach Wien, wo ihm sein alter
Gönner Dr. Leber sich wieder liebevoll
zuwendete und als es schlimme Tage gab,
ihm aus mancher Noth half, ihn auch
endlich dem Grafen von Hatzfeld als
Hauschirurgen empfahl. Im Jahre 1789
im April erhielt er die chirurgischeDoctor«
würde und lehnte einen Antrag als
Hauschirurg der Erzherzogin Mar ia
Anna nach Prag ab, weil die Kränklich,
keit des Grafen Hatzfeld ihm sein Verbleiben bei demselben unerläßlich
machte. Der Graf belohnte diesen Zug
treuer Anhänglichkeit, indem er K. in
seinem Testamente, eine lebenslängliche
Pension aussetzte. Nachdem der Graf
gestorben, widmete sich K. der Praxis in
Wien, wo er 1793 als Wundarzt des
TaubstummeN'Institutes angestellt wurde.
Im Jahre 1797 wurde er zum Professor
der Chirurgie und Geburtshilfe am
k. k. Lyceum zu Laibach ernannt. Acht
Jahre versah K. daselbst seine Stelle und
begründete sich durch die Einführung der
Schutzpockenimpfung ein bleibendes An»
denken. Nicht kleine Hindernisse stellten
sich seinen Bemühungen entgegen. Aber er
ließ sich durch nichts abschrecken, reiste
auf eigene Kosten von Ort zu Ort, unter«
wies Aerzte und Chirurgen im Geschäfte
der Impfung, bekämpfte alle Vorurtheile,
schaffte den nöthigen Stoff herbei und
wurde so zu sagen der rettende Engel
des Landes. Ununterbrochen aber setzte er
das Geschäft ernstlicher Selbstbildung
fort, erwarb 1799 in Wien die medici»
nische Doctorwürde, reiste 1803 nur
darum nach Venedig, um von Professor
Pajo la den Blasenschnitt zu erlernen,
den dieser mit solchem Geschick und vielem
Glück ausführte. Der Verlust eines Kin«
des (1801) und jener seiner Frau, denn
K. hatte sich in Wien schon um 1794
verheirathet, trübten seinen achtjährigen
Aufenthalt in-Laibach, von wo er 1803
als Professor der praktischen Chirurgie
und Klinik nach Wien an die Universität
berufen wurde. Nun eröffnete sich seinen
Kenntnissen und seiner seltenen operativen
Geschicklichkeitein weiterer Wirkungskreis.
Die chirurgische Klinik lag bis dahin
öde und verwaist, ohne wissenschaftliche
Pflege da, aber bald eröffnete K. seinen
Schauplatz der schwierigsten und gefahr«
lichsten Operationen, die der glücklichste
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Károlyi-Kiwisch, Volume 11
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Károlyi-Kiwisch
- Volume
- 11
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon