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Kinsky 300 Kinsky
Kinsky von Wchinitz und Tettau,
Philipp Joseph Graf (Staatsmann.
Ritter des goldenen Vließes, geb. 1. Mai
»ach Folkmann), 28. November 1700
»ach W i ß g r i l h . gest. 12. Jänner
1749). Ein Sohn Wenze l Norbert
O c t a v i a n's ss. d. S. 283, Nr. 31)
aus dessen zweiter Ehe mit M a r i a
Anna Therese Freiin von Nessel-
rode. Trat in den Staatsdienst, in
welchem er nach sehr kurzer Dienstzeit
1721 Appellationsrath. 1727 Appella-
tions'Vicepräsident und Statthalter in
Böhmen, im folgenden Jahre geheimer
Rath und als bevollmächtigter Minister
nach England gesendet wurde. Auf diesem
Posten, obwohl erst 28 Jahre alt. war
er dennoch mit großem Erfolge und für
OesterreichsInteressen thätig, und wurde in
seinen Unternehmungen von seinem Stief-
bruder Stephan Wi lhelm ^S. 303^
wesentlich unterstützt, der um dieselbe Zeit
den Botschafterposten in Paris bekleidete.
Im Jahre 1733 wurde der Graf von
London zurückberufen, am 10. Jänner
1736 böhmischer Hofkanzler und nach des
Grafen Ko lowra t Tode. am 21. April
1738, oberster Kanzler von Böhmen und
Conferenzminister. Nach Kaiser Ka r l's VI.
Tode (l741) von Mar ia Theresia in
seinen Aemtern und Würden bestätigt, be-
gab er sich nach Prag, um die Intriguen
Sachsens, welches Böhmen. Mähren und
Schlesien in den Vicariatsdistrict ziehen
wollte, zu bekämpfen, was ihm auch bis
auf Schlesien gelang, welches F r ied -
r i 6) I I . . jedes Recht mit Füßen tretend,
besetzt hielt. Im Jahre 1742 kehrte er
nach Wien zurück und nahm seinen Posten
im Rathe der von den Fürsten Europa's
treulos verlassenen Kaiserin ein, eine
ihrer trefflichsten Stützen in bedrängtefter
Zeit. Sein Charakter — Folkmann
schildert ihn „als von äußerst heftiger Gemüthsart, welche die sorgfältigste
Erziehung und die ernstesten Studien
zu mildern nicht im Stande waren, und
die noch im reiferen Alter in schroffer
Weise sich bemerkbar machte" — seine an
Starrsinn grenzende Gemüthsart paßten
vortrefflich für diese außerordentliche Si«
tuation. Er war es vornehmlich, der die
junge Monarchin — Mar ia Theresia
zählte damals 25 Jahre — in ihrem Wi»
derstande gegen Friedrich I I . bestärkte
und unterstützte. Noch im nämlichen Jahre
reiste der Graf nach Böhmen zurück, wo
er die Insurrection deö böhmischen Land«
volkeS organisirte und zur Verwaltung
Böhmens während der bayerisch-fran«
zösischen Invasion eine eigene Deputation
einsetzte. Eine Serie von Briefen der
Kaiserin auS jenen Tagen — Fo lk '
mann citirt aus deren fünfzehn die
wichtigsten und erheblichsten Stellen —
bezeugt, wie sehr der energische Graf. der
in den schwersten Zeiten oft den besten
Rath wußte, das Vertrauen der Kaiserin
genoß. Als zu Ende 174! Böhmen von
bayerisch«französisch - sächsischen Truppen
besetzt ulld Prag erobert wurde, schaffte
der Graf doch Geld aus Böhmen, um
geliehene Summen zu decken; ferner dis-
locirte er im Jahre 1742 die räuberischen
Panduren und Croatenhorden, welche,
nachdem die Ungarn mit dem Beispiele
ihrer Begeisterung für die Kaiserin
vorangegangen, unter M e n z e l und
T-r e n k ihr zu Hilfe geeilt waren; er
sorgte für Zufuhr der Lebensmittel, zur
Verproviantirung des unter Khevew
h ü ller ^s. d. S. 223) in so kurzer Zeit
neu aufgestellten Heeres; besorgte, nachdem
die Heere der Bundesgenossen 1743 aus
Böhmen verdrängt worden waren, die
Vorbereitungen zur Krönung der Kaiserin
und ihres GemalS, bei welcher Gelegen-
heit er das goldene Vließ erhielt. Im
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Károlyi-Kiwisch, Volume 11
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Károlyi-Kiwisch
- Volume
- 11
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1864
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 498
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon