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Aotzebue 48 Aohebue
mehrerer politischer Schriften, nebstdem
einer großen Anzahl von Proclamationen
und diplomatischen Actenstücken, welche
zu jener Zeit von Seite des russischen
Cabinets bekannt gemacht wurden, und
sämmtlich gegen Napoleon gerichtet
wurden. Im Jahre 1813 ernannte ihn
Kaiser Alexander zum General-Consul
in Königsberg, welche Stelle er bis
1816 bekleidete, worauf er zum Staats-
rathe im Bureau der auswärtigen An»
gelegenheiren erhoben wurde. Im Jahre
1817 erbat er sich vom Kaiser die Erlaub-
niß zur Rückkehr nach Deutschland, welche
ihm mit Belassung seines gangen Gehal»
tes, jedoch unter der Bedingung ertheilt
wurde, von Zeit zu Zeit Bericht über
Wesen und Bestand der Literatur und
Kunst in Deutschland zu erstatten, eine
Aufgabe, welche an jene Grimm's und
Laharpe's aus den Zeiten Kalha-
rinens und Paul 's I. erinnert und
durchaus nichts Verfängliches in sich faßl.
Damals gründete Kotz ebne das „Lite-
rarische Wochenblatt". Man hatte in
Erfahrung gebracht — e<5 war ein Paket
Kotz ebne'S an seinen Hof entwendet
und, wie es scheint, eröffnet worden —
daß er in seinen Berichten an den russi»
schen Hof über den deutschen Patriotis-
mus widerliche Dinge sage. Noch mehr
aber sein Auftreten gegen das lose Treiben
der Burschenschaften auf den deutschen
Universitäten hatte den Haß gegen ihn
rege gemacht. Rücksichtslos griff er es
unaufhörlich in seinem Journale an, und
ein Student, Karl Sand, von krankhaft
eraltirter Phantasie, vollführte, indem er
am 23. März 18! 9 K. in seiner Woh-
nung mit dem Dolche erstach, jene folgen-
schwere Unthat, die dann von der poli-
tischen Reaction, insbesondere durch von
Berstctt's unlautere Bestrebungen, wie
dieß Varnhagen in Prutz's„Museum" 1830 ausführlich darstellt. . ausgebeutet
wurde. Um sich
aber von der in jenm Tagen
in Deutschland herrschenden Aufregung
der Gemüther und der dadurch verrückten
Anschauung aller Rechtsverhältnisse nur
einigermaßen einen Begriff zu machen,
genüge die Thatsache, daß ein Mann wie
Steffens nach Sand's Unthat sich
nicht entblödete, zu schreiben und drucken
zu lassen: „Nach dieser Mordthat müsse
sich das Publicum mil Grauen von
Kotzebue abwenden!" — Lange Zeit
herrschte eine solche Verwirrung der An»
sichten über Kotzebue, daß es schwer
war, zu einem richtigen Bilde dieses in
seiner Art als Mensch und Schriftsteller
gleich merkwürdigen Mannes zu gelan«
gen. Erst Rudolph Gottschall hat,
ungeachtet der erst in den Fünfziger Iah»
ren in den „Grenzboten" erschienenen,
ebenso befangenen als ungerechten Cha»
rakreristik Kotz ebne's, der Erste den
Muth gehabt, alle die Nebel nichtiger
Vorurtheile und die Lächerlichkeiten der
Befangenheit zu verscheuchen und eine
gerechte Charakteristik K.'s zu entwerfen.
Kotzebue ist nach Lessing der erste
Lustspieldichter der Deutschen, einer der
lebendigsten und trefflichsten Zeichner der
Schwachen seiner Zeit, einer der oie wirk'
samsten Charaktere wie Situationen mit
leichtester sprudelnder Erfindungsgabe
gestaltenden Komödiendichter. Auch als
Schauspieldichter hat er großeVerdienste;
er verstand zu rühren, das Interesse des
Zuschauers in der ersten Scene zu gewin»
nen und bis zum Schlüsse festzuhalten,
so daß wir auch für viele seiner ernsten
Stücke, besonders für seine bürgerlichen
Familiengemalde, einen bleibenden Werth
in Anspruch nehmen dürfen. Kein deut»
scher Bühnendichter ist so oft wie er in
seinen Werken über die Bretter gegangen
lind keiner hat — die praktische Seite
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Kosarek-Lagkner, Volume 13
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Kosarek-Lagkner
- Volume
- 13
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1865
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 546
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon