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122 Langiewic)
Würde. WaS die wahre Ursache seines
Rücktrittes gewesen, wird erst die Zeit
aufhellen. Man sprach von einer aus
Paris an ihn ergangenen Weisung, ab-
zutreten; von anderer und am meisten
glaubwürdiger Seite heißt es: 3. hielt sich
fortwahrend in der Nähe Krakau's und
war bewacht und beengt vom hohen Adel,
der hier von jeher in kritischen Momen«
ten sich zusammenfindet. Der Dictator
ließ im Dränge der Ereignisse Manches
ungerügt hingehen, endlich kam eS zum
Ausbruch. Mehrere junge Polen von
hohem Adel, die mit ziemlich bedeuten-
dem', aber auch meift unzuverlässigem
Anhange aus dem Krakau'schen zu ihm
gestoßen waren, wünschten Ofsiciere zu
werden. L. zog bürgerliche und auch
mehrere adelige junge Leute vor. die sich
in früheren Gefechten bereits bewahrt
hatten und wieS die Bittsteller ab, mit
der Aufforderung, sich der ersehnten
Charge vorerst würdig zu zeigen. Die
jungen Leute ignorirten diesen AuSspruch
deS Dictators völlig und machten sich,
der alten „polnischen Wirthschaft", die»
sem Urgründe des King ?o1onia6 getreu,
selbst zu Officieren über die von ihnen
mitgebrachten Leute. Nach der für die Po-
len siegreichen Schlacht bei Zagosc stellte
Langiewicz dieselben vor ein Kriegs-
gericht, in das sich inzwischen sehr viele
Mitglieder deS hohen Adels eingedrängt
hatten und verlangte die Verurtheilung
zum Tode'. daS Urtheil lautete jedoch auf
Freisprechung. Langiewicz legte nun
sofort die Dictatur nieder und zog sich mit
seinem weiblichen Adjutanten, dem Frau»
lein Pustowojtoff , und sechzehnhun-
dert seiner persönlichen Anhänger, die
zumeist schon bei Sandomir unter ihm ge»
fochten, zurück, nachdem er auf dringendes
Anstürmen der Aristokraten einen Brief
veröffentlichte, worin er als Grund seines Rücktrittes eine wichtige Reise, die er
vorhabe, vorschützte. Unter diesen Ver«
hältniffen erreichte er, ganz unbehelligt
von den Russen, die keine Ahnung von
dem Geschehenen hatten, Opatowicze.
Nun wollte 3. durch österreichisches Ge»
biet — auf kürzestem Wege — auf dem
rechten Weichselufer in'S Lublinische ge>
langen, wo er tüchtiger zusammengesetzte,
gesinnte und geführte Banden vorhanden
wußte. Auf einem Kahne sehte er mit
mehreren Gefährten über die Weichsel.
Als er am 19. März 1863 beim Zoll-
hause ankam, und seinen Paß, der von
Norwegen ausgestellt war und auf den
Namen eines Polen und seines achtzehn»
jährigen SohneS lautete, zur Revision
übergab, wurde von verschiedenen Seiten
laut sein Name gerufen, so daß eS sich un-
bezweifelt herausstellte, daß ihm bereits
der Verrath vorausgeeilt war. um seine
Reise abzukürzen. Mieros lawsk i wird
ellgemein als Urheber dieser Wendung
der Dinge bezeichnet. 3. wurde nun nebst
seinem weiblichen Begleiter angehalten
und nach Krakau gebracht, wo er bis
zum 2. April in Haft gehalten wurde.
Von dort kam er am 3. April nach Tisch«
nowitz in Mähren, wo er einige Zeit
internirt blieb. Ein in den letzten Tagen
deS Aprils 4863 unternommener Flucht«
versuch deS Dictators mißlang und hatte
zur Folge, daß L. am 28. d. M. nach
Iosephstudt in die Festung gebracht
wurde, wo an ein Entweichen nicht zu
denken war. Um die Mitte des Jahres
1864 wurde 3., dem die Schweiz mittler«
weile daS Bürgerrecht verliehen hatte,
seitens der Solothurner Cantonal»Regie«
rung von der österreichischen Regierung
als freier Schweizer Bürger reclamirt.
Auch wurde im November d. I . durch
den Dr. Rechbauer, Mitglied deS
Abgeordnetenhauses des österreichischen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Laicharding-Lenzi, Volume 14
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Laicharding-Lenzi
- Volume
- 14
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1865
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 550
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon