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Shariik 186 Lihariik
Umrisse derselben menschlichen
Gestalt in allen Dimensionen
mathematisch«identisch waren,
obgleich beide unter verschiedenen Prin«
cipien construirt worden waren. Denn
Bonomi's Canon war nach Regeln
gebildet, die aus einem bestimmten, schon
den alten Egyptern bekannten und mit
dem Namen eines Naturmaßes bezeich,
neten Dreiecke abgeleitet wurden; Dr.
3ih arxik's normale Mannesgestalt war
aber das Ergebniß einer auf genauen
Messungen beruhenden Naturanschauung;
es lagen daher in beiden Proportions«
lehren Systeme vor, die nach Form und
Wesen scheinbar ganz verschieden in ihrer
Anwendung dennock gleiche Producte
ergeben hatten. Aus dieser formellen
Nebereinstimmung beider Werke ergab es
sich denn, daß die Natur bei der Bildung
der menschlichen Gestalt mathemati»
schen Gesetzen folge, daß die Naturpro,
cesse selbst mathematische Functio«
nen sind, und daß nur die wahren,
d. h. der Natur entno mmenen Ver»
hältnisse und Formen, das eigentliche
Ideal der Kunst bilden. Aber auch die
Unterschiede beider Systeme traten hervor.
Aus Bonomi's Dreiecke ließ sich nur
die Figur des erwachsenen Mannes
ableiten, während die Ziffern des von
Dr. 3. nachgewiesenen Wachsthumsge-
sehes für die Größenverhältniffe der
menschlichen Gestalt injedem Stadium
ihrer stufenweisen Entwicklung und für
beide Geschleckter feste Normen aufstellen.
Da ferner die aus L.'S Wachsthumgesetz
resultirende Construction des erwachsenen
Mannes die vollendetste sei, welche je von
der Kunst geschaffen worden war, so
könne auch von allen andern vom
Gesetze angegebenen Dimensionsverhält-
niffen der einzelnen Körpertheile die
menschliche Figur für jedes Alter und echt in gleicher Vollkommen-
heit hergestellt werden, weil ein streng
gegliedertes, in sich abgeschlossenes
mathematisches System, welches
alle seine Glieder nur aus sich selbst
entwickelt, in allen seinen Theilen rich.
tig sein muffe, sobald sein Schlußsatz
oder Endglied, hier also die Figur
deserwachsenenMannes wahr ist.
d. h. der Natur congruent erscheint. Diese
Schlußfolgerung wurde aber noch durch
die 24 Modelle der wichtigsten Wachs-
thumsepochen, die nach dem übereinstim-
menden Urtheile von Kunstverständigen
in Bezug auf Schönheit und Wahrheit
nichts zu wünschen übrig lassen, vollkom>
men bestätigt. Auch in Paris fand das
Werk in wissenschaftlichen Kreisen, so in
der Akademie der Wissenschaften, in jener
der Medicin und der bildenden Künste
eine ehrenvolle Aufnahme und eingehende
Würdigung. Während die Zeitschrift
„00LIH03" in den Nummern vom 21.,
22. und 23. Juni 1862 in einer um-
fassenden Kritik die Vortheile und die
Verwendung dieses neu aufgefundenen
Wachsthumsgesetzes für die Anatomie.
Physiologie. Pathologie und für die bil»
dende Kunst darstellte, machte der be«
rühmte Physiolog und Akademiker Pro»
feffor Claude Berna rd die scharfsinnige
Bemerkung: „ES sei klar. daß, wenn in
der ersten Grundlage des Gesetzes,
oder in dem progressiven Aufsteigen
auch nur einer einzigen Größe der
geringste Fehler vorhanden wäre, dieser
Fehler bei seiner^ fortschreitenden Zunahme
zu einer Größe anwachsen würde, die
nicht nur dem Kenner, sondern schon dem
Laien in die Augen springen müßte. Da
aber, im Gegentheil von dem Gesetze,
jeder Körpertheil auf die ihm eigen»
thümliche Art, von allen andern
unbeirrt und unabhängig im Wachs«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Volume 15
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Leon-Lomeni
- Volume
- 15
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 499
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon