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Lipinski 218 Lipinski
wieder ein eigenthümlicher Umstand, der
seine Virtuosität im Violinspiele steigerte
und namentlich jene Kunstfertigkeit in
Doppelgriffen, welche bei 3. bekannter«
maßen außerordentlich war, zur Folge
hatte. 3. spielte nämlich nicht Clavier,
dessen sich die Dirigenten als des zweck«
mäßigsten Surrogates für das Orchester
beim Einstudiren zu bedienen pflegen.
3. mußte sich also mit der Violine behel«
fen. was ihn veranlaßte, doppelstimmig
zu accompagniren und auch noch den Ein«
tritt der Singstimmen nebenher zu mar«
kiren. Dadurch aber erhielt er eine Fähig-
keit und Fertigkeit im doppelgrifsigen
Spiele ohne Gleichen. Die Muße seines
CapellmeisterberufeS benutzte er zu Com«
positionen-für sein Instrument, wobei er
namentlich die virtuosen Momente der
besonders ihm eigenen Technik in's Auge
faßte. Dabei muß aber bemerkt werden,
daß 3. im Gegensatz zu seinen musikalischen
Collegen. die übrige geistige Bildung
durchaus nicht vernachlässigte. Schon
sein Vater hatte für seinen Unterricht in
mehreren Sprachen Sorge getragen und
3. denselben später sorgfaltig fortgesetzt,
aber auch sonst in einem unablässigen
Bestreben, sich zu bilden, eignete er sich
manche tüchtige Kenntnisse in verschie«
denen Wissenszweigen an und steigerte
dadurch nicht wenig daS tiefere Verstand-
niß und die erfolgreichere Ausübung
seiner Kunst. Bis zum Jahre 1814 ver-
blieb 3. in seiner 3emberger Stellung.
Da lockte ihn die Anwesenheit Spohr's
in Wien nach der Residenz, um den als
Altmeister und Begründer der deutschen
Violinschule angesehenen Künstler daselbst
zu hören. Aber wie sehr 3. den Ruf
Spohr's berechtigt fand. so sah er sich
doch nicht veranlaßt, in seiner eigenen
Kunstrichtung etwas zu andern. Sich
selbst und seiner richtigen Erkenntniß treu bleibend, ließ er sich nie durch fremde
Auffassung irre machen, denn das ist ja
eben das Wesen der echten Kunst. daß
sie, in fremden Fußstapfen nachzutreten
verschmähend, in sich selbst den festen
Halt findet und ihre Eigenkraft in jung.
fraulicher Reinheit zu wahren weiß. Von
Wien kehrte 3. nach 3emt>erg zurück, gab
aber, um sich ungestört seinen Kunststudien
und der Komposition widmen zu können,
seine Stellung beim 3emberger Theater
auf. Da tauchte wie ein Meteor Paga«
nini's Name am musikalischen Horizont
auf. Es war im Jahre 1817, daß die
Zeitungen von den Wunderleistungen
dieses Kunstphänomens nicht genug
schreiben konnten. Es bildeten damals
Kunst und Theater noch den Hauptinhalt
alles öffentlichen 3ebens. 3ipi i iski
hatte bald seinen Entschluß gefaßt und
reiste nach Italien, um Paganin i zu
hören. I n Piacenza traf er eben ein, als
Paganin i ein Concert gab. I n diesem
war 3i pinski der Einzige, welcher,
während das anwesende Publicum sich
dem Virtuosen gegenüber still verhielt,
seinen Beifall laut zu erkennen gab. Man
wurde auf den Fremden aufmerksam, der
nun auch seinerseits erklärte, daß er selbst
ein Künstler und weit aus dem Norden
hergereist sei, um Paganin i zuhören.
Die Bekanntschaft mit Paganin i ward
sofort vermittelt und3ip inski spielte
nun nicht nur täglich mit Paganin i ,
sondern trat auch mit ihm in Piacenza
in zwei Concerten, am 17. und 30. April
1818. öffentlich auf. sHier muß bemerkt
werden, daß die Angaben von Fötis
über 3ipi i iSki in seiner „VioFiÄpkiy
universelle" unrichtig und nach der
Biographie in der Zeitschrift , Europa"
1889. Nr. 33. zu berichtigen sind.) Wie
sich 3ipi i iSki von der Eigenart des
großen italienischen Künstlers angezogen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Volume 15
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Leon-Lomeni
- Volume
- 15
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 499
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon