Page - 273 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Leon-Lomeni, Volume 15
Image of the Page - 273 -
Text of the Page - 273 -
273
gen ist sehr lebendig. . . . Die Schule selbst
sagt: „Keiner habe wie Liszt das melodische,
harmonische, rhythmische und contrapunctische
Element der Musik so zu einen und alle
Elemente durch charakteristische Färbung zu
gleicher Blüthe und Höhe zu heben gewußt.
8ud Huäics Ii5 S5t. Wo aber Liszt , wie
in seinen fünfzehn ungarischen Rhapsodien,
seine Nationallieder musikalisch wieder geschaf«
fen und in Kunstfomien gestaltet hat, da
kann nach unserer Meinung kein Streit darüber
sein. ihn als eigenthümlichen Schöpfer in
seinem Style anzuerkennen." — Die W i t-
thauer'sche Zeitschrift — ein seiner Unbefan-
genheit und seiner Kunstkritik wegen geachte«
tes Blatt — schreib: über Liszt: „Liszt
als Virtuose. Virtuosen, in welchen dyna«
mische Kraft und mechanische Vollkommen-
heit den Superlativ erreicht haben, stellen
sich gleichsam außer das Gesetz, und die
Kritik kann von solchen Dictaturen wohl
Regeln empfangen, doch ihnen keine geben.
Die Zeit hat Liszt berufen, die Kulmination
dieses Zweiges der ausübenden Tonkunst zu
reprasentiren, ihr neue Bahnen zu eröffnen,
und ihren Gang zu beschleunigen. Seine Er»
scheinung ist unstreitbar eine kunsthistorische.
Seinen Namen begleitet jenes Gefühl der
Achtung, Freude und Bewunderung, jenes
Magische der Anziehung, dessen sich ausge«
zeichnete Günstlinge der Kunst oder Wissen«
schaft erfreuen, wenn Genie, Verdienstund
Glück sie über die Höhen der Gesellschaft
gestellt haben. Er wird von allen Ständen
mit Entzücken genannt, und selbst von dem
Munde solcher Separatisten, die seit den
alten Wundern Pag an in i's ankeine neuen
mehr glauben wollten. Die Musikfreunde
ringen fast um ein bescheidenes Plätzchen
im Concertsaale; dieß sagt wohl etwas; die
Kenner bewundern; dieß sagt viel; Menschen,
welchen die Musik gewöhnlich nur als ein
klappender LuruS erscheint, hören andächtig
zu; dieß sagt noch mehr; am Allermeisten
sagt Liszt selbst — auf seinem Claviere. —
Liszt alS Componist. Höhere, poetische
Anschauung, Fülle der Phantasie, romanti>
scher Schwung, Essectkenntniß und Geschmack
machen die Eigenthümlichkeit seiner Clavier»
dichtungen aus. Durch sie verleiht er selbst
solchen Musikformen eine edle Bedeutung,
welchen der Geschmack des Tages, wohl
unverdienter Weise, die Herrschaft ^einzuräu
men pflegt. I n den Phantasien nach Opern
motiven verschönt und idealisirt er letztere
v. Wurzbach, biogr. Lerikon. XV. lMe gibt ihnen zuweilen eine hochtragische Bedeu»
tung. und macht sie dadurch gleichsam zu
den Stützen eines ganz neuen, glanzreichen,
stellenweise großartigen, musikalischen Poems.
Wie ersinderisch und kräftig taucht er die
melodischen Blüthen Rossini's. Bel l ini 's.
Donizett i 's und Mercadante's in die
wogenden Fluthen seiner Töne, um sie bald
mit der himmlischen Anmuth AphroditenS,
bald mit dem neckenden Muthwillen plätschern»
der Najaden, bald mit dem erhabenen Ernste
des meergebietenden Gottes, daraus wieder
hervorgehen zu lassen, in immer neue Neize
gehüllt! In den Ueoertragungen S ck u»
bert'scher Lieder hat er eine neue Gattung
geschaffen. Es ist dieß der gelungene Versuch,
die melodische und harmonische Schönheit des
neuen classischen Liedes, als lyrisch Ganzes
auf dem Clavier al lein wiederzugeben, und
dieses in der Macht des Gesanges und der
Declamation zu vervollkommnen, ohne etwas
von seinem Tastenreichthum dabei vergeben
zu lassen. Die kunstreiche, charakteristische
und geschmackvolle Behandlung des Compo-
nisten haben diese Piecen fast aller Orten
zu Lieblingsvorträgen erhoben. Die unsterb-
lichen Gesänge Schubert's werden nun
nicht mehr das Eigenthum gebildeter Sänger
allein, sondern auch das der gebildeten Pia»
nisten sein. — Liszt als Künstler über-
Haupt finden wir von dem edelsten Ehrgeize
beseelt. Die Kunst ist sein Lebensnerv, seine
Gottheit, sein Alles. Er übt sie mit der
glühendsten Leidenschaftlichkeit, nicht ohne
gegründetes Selbstvertrauen, doch bescheiden.
Getrieben von jener, den wahren Künstler
stets erfüllenden, schmerzlich'süßen Sehnsucht;
begünstigt von dem nothwendigen Grade
einer ausdauernden Seclenenergie, gibt er
sich unbedingt, ja mit den edelsten Opftrn
seiner selbst, ihrem Tempeldienste hin; rastlos
folgend seinen Schönheitsidealen," — Ein
Biograph (L.) 3i szt's in der „Leipziger
Illustrirten Zeitung" macht folgende wichtige
Bemerkungen: „Die Vorwürfe, welche Li szt's
Gegner gegen ihn erhoben, heißen FormlosiZ»
keit.Melodielosigkeii, grause Harmonie, Objecte,
die dcr musikalischen Darstellung gar nicht
zugänglich sind. Wenn das rechte Wesen der
Form in einem einheitlichen, musikalisch»
logischen, d. h. thomatisch«construirten Orga-
gamsmus besteht, so sind die Liszt'schen
Werke ebenso formgerecht wie die letzten
Quartette Beethoven's, denen man frei»
lich in früherer Zeit denselben Fehler auf«
. 18. März 1566.) 48
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Volume 15
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Leon-Lomeni
- Volume
- 15
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 499
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon