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Löhner 393 Fähner
würden. Meine Herren, fragen sie die
Geschichte der Provinzen. Wissen Sie,
daß auch im Mittelalter Fürsten mehr
als Ein Land besaßen und daß in jedem
3ande autonome Stände waren. Freilich
war die Verantwortlichkeit keine solche,
wie sie jetzt in Constitutionen vorgeschrie«
ben ist, sie äußerte sich aber manchmal,
wie z. B. in den Niederlanden, mit dem
Verluste der ganzen Nation Schauen
Sie die Politik an, die man damals
beobachtete; man brauchte die Stande,
getrennt wie sie waren, man brauchte
einen Reichstag oder Landtag nach dem
anderen, um jenes Geld. jene Truppen,
die Ein Landtag bewilligt, gegen einen
anderen Landtag zu gebrauchen, der reni«
tent war. . . . Sorgen Sie, meine Herren,
jetzt schon dafür, daß Sie Repräsentanten,
freie Volksvertreter aller Lander zugleich
in Einem Saale beisammen haben, daß
die Anklage eines Ministers von einer
und derselben Reichsversammlung aus-
gehen könne, damit Sie ihn verant«
wortlich machen für Alles, was in irgend
einem der vertretenen Länder geschieht.
Wenn Sie eine Reichsversammlung hier
und eine Reichsversammlung in Pesth
haben und Sie haben Einen Kriegs«
und Finanzminister, so haben Sie un-
verantwortliche Minister...." 3 öhner's
Thätigkeit an dem Tage vor dem zu
Wiens immerwahrender Schande gewe»
senen 6. October wird von verschiedenen
Seiten einstimmig derart geschildert, daß
wenn seinen Vorstellungen und Drängen,
eine ReichstagSschung zu halten, welche
Strobach beharrlich verweigerte, nach»
gegeben worden wäre, das Unheil des fol-
gendenTageszu vermelden und Bail let-
Latour zu retten war. So versammelte
sich am Abend nur ein Ausschuß des
Reichstages, der machtlos weder Hilfs-
Mittel finden, noch Gehorsam erzielen konnte. Der Commandant der National-
garde konnte nicht über zwei Bataillone
verfügen, die das Zeughaus hatten cer«
niren können; so wurde es erstürmt,
geplündert und das Schicksal Wiens'
begann sich zu erfüllen. Indessen dräng-
ten die Anhanger der Ungarn, daß man
diese rufe. L. hatte noch den Muth,
wenn auch nur privatim, zu äußern, der
Reichstag dürfe die Ungarn ebenso wenig
rufen, als die Croaten dulden. Er wurde
deßhalb verdächtigt, zur Rede gestellt,
bedroht. Um zehn Uhr Nachts reiste er
nu't Depeschen von dem in Wien zurück«
gebliebenen Minister Philipp Frecherm
von Kraus M . XIII , S. 130) dem
Kaiser nach und versuchte in Znaim . wo
sich der Hof eben befand, noch eine Ver>
Mittelung zu bewirken. Die Dinge waren
bereits zu weit gediehen, so daß selbst
ein zweiter Versuch am 46. in Olmütz,
wo er noch mit einer Deputation des
Reichstages zusammentraf und mit ihr
Berathungen hielt, vergeblich blieb. Un«
verweilt kehrte er nach Wien zurück,
wo er — von jeher leidend — kränker
denn je anlangte, noch einigen Sitzun»
gen beiwohnte, dann aber das Kranken»
lager nicht eher verließ, bis er Anstalten
machte, um sich zu dem mittlerweile
nach Kremsier einberufenen Reichstage
zu begeben. Sein schweres Brustleiden
legte dort seiner parlamentarischen Thä«
tigkeit enge Schranken. Nur ein paarmal
trat er als Redner auf. Hingegen ver>
offentlichte er am Neujahrstage ein
Schreiben an seine Wahlmänner in
der deutschen Frage, in welchem er auf
die Möglichkeit hinweist, Deutschland
und Oesterreich in einem gemeinsamen
constitutionellen Kaiserthum zu einigen
— ein Gedanke, der wohl von dem, Poe»
ten, aber nicht von dem österreichischen
Deputirten ausgehen konnte — neben
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Volume 15
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Leon-Lomeni
- Volume
- 15
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 499
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon