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dieser gemüthlichen Gefühlspolitik doch
wieder Dinge sagt. die ihn auch sonst
vollkommen charakterisiren. „Als Einzel
ner", heißt es in dieser Schrift, „bin ich
entschlossen, auszuwandern, wenn ich die
Hoffnung aufgeben müßte, ein Deutscher
in Oesterreich zu bleiben. Als Ihr Ver<
treter stehe ich nicht an, unter bestimm-
ten Voraussehungen Ihnen zu rathen.
Ihren Abgeordneten aus Frankfurt zu>
rückzurufen. Die Einheit des consti»
tuirenden Reichstages verträgt sich nicht
mit gleichzeitigem Gesetzgeben und Neh
men in einem zweiten Parlament. . < .
Schon die Ehre der österreichischen De-
putirten erlaubt Ihnen nicht, im Frank»
furter Parlamente mitzusthen, sobald
Oesterreich sich von dessen Beschlüssen
lossagt; denn man kann nur da mitbe
rathen, wo man für die Befolgung
der Beschlüsse die Bürgschaft mit über-
nimmt. Und seinerseits kann Deutsch»
land sein Fertigwerden nicht darum in'S
Endlose verschieben, weil man mit
Oesterreich nicht gehen kann und ohne
Oesterreich nicht will." Sein Entschluß,
zur Kräftigung seiner Gesundheit eine
Reise nach Deutschland zu unternehmen,
von der er fern von allem sein Dasein
vergällenden Treiben wirklich Besserung
seiner Leiden erwartete, hatte ihn schon
längst veranlaßt, um einen Urlaub an-
zusuchen , den er auch von dem Minister
Stadion, den Löhner „die Ehrlich«
keit des Schwarzenberg'schen Cabinets"
zu nennen pflegte, schon am 10. Decem-
ber 1848 erhalten hatte. Er verzögerte
seine Abreise bis zu den ersten Tagen
des März 1849; endlich, nachdem der
Reichstag sich auf 11 Tage vertagt
hatte, reiste er am 6. März ab und
begegnete in der Nacht den Militär«
Abtheilungen, die gegen Kremster mar>
schirten, um den Reichstag zu sprengen. 3. war bereits in Frankfurt, als er die
Ereignisse, die mittlerweile in Kremsier
stattgehabt, erfuhr. I n Frankfurt hielt
ihn sein Leiden längere Zeit auf. Nun
begab er sich nach Wien zurück und
suchte in dem nahen Baden Erleichterung.
„Es war im Spätsommer" , schreibt
Dr. W. Schlesinger. „als ich mit 3.
in Baden wohnte. Er war geist-, ner»
ven', brüst» und damals zumeist gemüths»
leidend. Die krankhafte Erregtheit, Reiz«
barkeit und Empfindlichkeit seines Ge>
müthes fand in den so aufreibenden poli»
tischen Verhältnissen jener Schreckenstage
stete Nahrung. Baden, obgleich außer
dem Rayon des Belagerungszustandes
gelegen, blieb doch nicht ganz von den
drückenden und einschüchternden Maß«
nahmen desselben, wie zum Beispiel
von Hausdurchsuchungen und derglei»
chen mehr, verschont. Die so leicht
erregte Phantatasie des Kranken und
Dichters gerieth dadurch in die größten
Qualen des Gemüthes. Es überkam
ihn ein unstillbarer Drang in die Ferne.
Der Stein deS Anstoßes war ein — Paß.
Nach langen Mühen und Wirken erhielt
er ihn, und ich werde niemals das von
Thränen erstickte Aufjauchzen der Freude
vergessen, als er mir diesen zeigte. Er
glaubte sich nun körperlich wie geistig
gerettet! Im Herbste deS Iah-
res 1851 trat er seine Reise an. Und
er wanderte und wanderte, unstät und
flüchtig, von Venedig nach Pisa, von
Pisa nach Nizza und starb im Früh-
jähre 1832 in Marseille, einsam, ver«
lassen, ein armer, beklagenswerther,
brustkranker Ahasver!" Ueber Löhner,
den Schriftsteller, bleibt nur wenig zu
sagen übrig. Die kurze Spanne Zeit
feiner politisch parlamentarischen Thä-
tigkeit hat ihn über das Niveau deS
Gewöhnlichen gehoben. Vielleicht daß
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Leon-Lomeni, Volume 15
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Leon-Lomeni
- Volume
- 15
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 499
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon