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Madach 229
S. 224—228, mit ausführlichen genealogi.
schen Nachrichten über Madäch's Familie
und mit zwei Stammtafeln. — Der unga-
rische Reichstag 1861 (Pesth 186l, Carl
Osterlamm. 8".) Bd. I I , S 53-59. —
Porträt. Unterschrift: Kaääok Imrs. Holz»
schnitt. Ruß so. (4<>.). — Madäch's äußere
Erscheinung und als Redner. Im Jahre 1861
erschienen in den ungarischen Journalen meh,
rere geschriebene Silhouetten der ungarischen
Deputirten des 1861 ger Landtages. Von
Madach wird folgendes Bild entworfen:
„Eine der originellsten Erscheinungen des Re<
präsentantenhauses ist Emerich Madäch.
Blonde Haare, ein Profil von slavischem
Typus, ein nach Art der Chinesen herabhän»
gender Schnurbart, aber eine ungarilch füh»
lende Vcust und ein mit europäischer Bildung
genährter Kopf. Seine Beredsamkeit ist nicht
flammender Natur, sie ist ein stillos Feuer,
welches zeitweise knistert und dann mit der
Leuchtkugel eines originellen Einfalles oder
einer ganz neuen duftenden Phrase eines
drastischen aber nicht unschönen Bildes das
lachende Publicum ĂĽberrascht. Wer seine Rede
durchgelesen, wird den Unterschied herausge«
fĂĽhlt haben, der zwischen ihm und den eigent-
lichen Phrasendreckslern besteht; seine Bilder
find nämlich nicht gesucht, sondern die natür-
liche Einkleidung feiner Ideen. Seine Rede.
figuren sind nicht hohl, sondern enthalten viel»
mehr einen gesunden Gedankern . . . ." —
Fur literarischen Charakteristik Madäch's.
Adolpn Dur , der im „Pester Lloyd" eine
ausführliche ästhetisch »kritische Studie von
Madach's n^-2 einbor ti-2F6äiä^a", dem
einzigen bisher erschienenen und dem eigent,
lichen Hauptwerke des Dichters, das seinen
Ruhm begründete, veröffentlichte, faßt zu Ende
sein Urtheil darüber folgendermaßen zusam»
nien: „Ueber die Dichtung im Ganzen ein
präcises Urtheil zu fällen, wie man es etwa
über eine Tragödie, oder eine andere, wissen-
schaftlich festgestellten Regeln unterworfene
Dichtung fällen kann. ist wenig dankenswerth,
und bat feine unüberwindlichen Schwierig»
keitrn. In der dichtenden Phantasie, die einer
Empfindung lyrischen Ausdruck gibt. die das
Walten der sittlichen Wcltordnung in einer
dramatischen Handlung abspiegelt, kristallisirt
sich das lyrische, das dramatische Gedicht
nach bestimmten Gesehen, ihre Dichtung wan»
delt. wie die Planeten, in sich gleichbleiben»
den Bahnen. Der Dichter jedoch, dcr die
ewigen Plane der Gottheit erforschen will, folgt im besten Falle nur zur Hälfte den
Gesetzen der dichtenden Phantasie, zur a.nde»
ren Hälfte aber den Eingebungen seines
refiectirenden Geistes; und diese sind man«
mgfach wie die Individuen. In den Werken
solcher Dichter herrscht im Vergleich mit an«
deren, bestimmten Regeln unterworfenen Gat«
tungen WillkĂĽr, und waltet kein anderes
Gesetz, als welches der Autor sich selbst vor-
schreibt. Solche Dichtungen sind Kometen
der Poesie, und gleichen sich unter einander
höchstens darin, daß das böse Princip am
Ende unterliegt, daĂź dem guten Princip der
endliche Sieg prophezeit wird. — Wie der
Komet wird auch das GemĂĽth des Lesers,
das in Folge der von unserem Dichter vor-
geführten Schreckgebilde von Zweifeln gequält
wurde, durch das SchluĂźwort des Herrn:
„Kämpfe und vertraue!" in eine sichere Bahn
zurĂĽckgeleitet, in die des Glaubens. Dock
wäre zu wünschen, daß der Dichter dieses
versöhnende Ende nicht allein am Schluß
der Dichtung zum BewuĂźtsein des Lesers
brächte, sondern daß er es demselben früher
hätte ahnen lassen. Es wird aber im Lauf
der Dichtung weniger diese Ahnung, als der
ihr entgegenstehende Zweifel geweckt, da der
Dichter mehr dem ätzenden Geiste Lucifer's
als dem idealen Streben Adam's seine volle
Kraft zugewendet hat. Der göttliche Spruch.-
„Strebe und vertraue" ist nicht allein das
Resultat, zu welchem der titanische Geist
nach langem Irren und Streben gelangt; —
er war der Leitstern vieler groĂźen Menschen,
die diesem Spruch von vornherein folgten,
denen er aus ihrem eigenen gotibegeisterten
Herzen zugerufen wurde, die ihn nicht erfr
a posteriori erkannten. Der Dichter hätte
demnach mehr Gelegenheit gehabt, vielleicht
auch mehr den Drang fĂĽhlen sollen, dein
ringenden Titanen glänzende Menschenbilder
objectiv vorzufĂĽhren, die Vertrauen erwecken,
anstatt Adam selbst in verschiedenen Größen
erscheinen zu lassen, die an sich selbst zweifeln,
und dadurch in der Brust des Lesers Zweifel
erregen. Freilich erhebt sich Adam nach jedem
Falle wieder und es geschieht dieĂź gewiĂź auf
die allerĂĽberzeugendste Weise, da der Dichter
eS durch unzweifelhafte historische Thatsachen
ausdrĂĽckt. Allein auf diese Art wird dem
Leser die bis zu Gott fĂĽhrende Zukunft der
Menschheit gewissermaĂźen nur documentarisch,
so zu sagen schwarz auf weiĂź bewiesen; es
wird aber in ihm nicht der ledendige begei«
sternde Glauben an das Göttliche im Men«
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Volume 16
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Londonia-Marlow
- Volume
- 16
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon