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zur Charakteristik des ungarischen Landtages"
(Pesth l867. Wilhelm Lauffer. gr. 8«.). welche
manche trefflich gezeichnete Silhouette unga-
rischer LandtagsmÀnner enthalten, entwerfen
von Maj lĂ€ th folgenden UmriĂ: âEtwas unter
der MittelgröĂe, ist Georg Maj lĂ€ th von
robustem, krÀftigem Körperbau. Auf kurzem
Halse sitzt ein gewaltiger Kopf mit harter
Stirne, krausem Haar, kurz geschnittenem
Rundbart: Das runde Gesicht ist sonnnen»
gebrÀunt, mit ungarisch »tatarischen starken
Packenknochrn und geschlossenen Lippen. DieĂ
Gesicht ist selten freundlich und hat vielmehr
etwas Herbes â mit dem Ausdrucke starker
Energie. Er hat dunkle, gedanken« und seelen»
volle Ăugen, welche aufflammen, wenn er
warm wird. Sein AeuĂeres ist leichter zu be«
schreiben, als sein Inneres. Er besitzt weniger
Eitelkeit als irgend ein Staatsmann. Mit
seinen Ideen zu brilliren, sie einem Anderen
einzureden, ist nicht seine Gewohnheit. So
wie es Riesentenore gibt. deren Stimme erst
recht zum Vorschein kommt, wenn sie schon
eine gute Weile gesungen, wo ein Anderer
bereits heiser geworden, so kann Maj lÀ th
eine halbe Stunde mit dir sprechen, d. h.
dich reden lassen, wenn du zu reden weiĂt,
und erst, wenn du in Verzweiflung gerathen,
wie du den Monolog fortfĂŒhren sollst, beginnt
er zu sprechen. Endlich ist er warm geworden
und beginnt sein Geist Funken zu sprĂŒhen.
Wenn er aber nichts UeberflĂŒĂiges sagt, so
mackt er auch krine leeren Versprechungen
und schmiedet keine PlÀne, von denen vor»
auszusagen, daĂ sie Seifenblasen. In dem.
was er sagt. ist klarer Verstand, gesundes
Urtheil und eine gewisse PositivitÀt. Es ist
nicht seine Gewohnheit, zu loben. I n der
Kritik ist er stark. Im Starrsinn nimmt er
es mit Guizot auf. Diese Mischung von
Eigenschaften tritt auch in ihm als Redner
hervor. MajlÀth's markige und mÀnnliche
Beredsamkeit ist, wenn auch keine lapidare,
doch ohne ĂŒberflĂŒssiges Schnörkelwerk, sie ist
nicht faltenreich, aber compact â nicht Fili-
granarbeit, sondern ein eherner GuĂ. Phra«
sen gebraucht er selten, geschieht es aber. so
sind es gesunde und treffende. Manchmal
lĂ€Ăt er auch einen Witz los und begleitet ihn
mit einem herben LĂ€cheln. Es liegt darin
etwas Hohn und Verachtung der gegnerischen
Meinung, zwar diplomatisch verhĂŒllt, aber
doch herauszufĂŒhlen. Er provocirt nicht, for«
dert man ihn aber heraus, so stellt er seinen
Mann. Er ist stark in der Improvisation, obwohl kein rascher Denker; er gehört viel-
mehr zu jenen Geistern, die man aufstacheln,
durch Widerspruch reizen muĂ, damit sie zu
voller ThÀtigkeit erwachen und alle ihre
FÀhigkeiten entfalten. Dann gerÀth er in
Feuer, bringt in Feuer und ĂŒberzeugt oder
besiegt vielmehr. Aus Allem, was er sagt, ist
zu entnehmen, daĂ seine Bildung und Bele<
senheit mehr eine classische und solide, als
eine moderne oberflÀchliche. M. pflegt nicht,
wie Metternich in seinen alten Tagen ge<
than, vor aller Welt seine Gedanken und
PlÀne weitlÀufig auszukramen und darzu-
legen, was er denkt, wollte oder noch will.
Maj lÀ th ist eine Sphinx und gibt in dieser
Hinsicht der Sphinr an der Seine nicht viel
nach. und es ist in der That amĂŒsant, wenn
Journalisten und solche, die keine Iourna.
listen, sondern politisirende Geschöpfe einer
höheren Gattung sind, es versuchen, von Sr.
Ercellenz etwas herauszulocken. Manche su»
chen sich diesem Ziele in weitem Bogen zu
nĂ€hern. âMan spricht, oder die heutigen Blat«
ter schreiben, daĂ die Regierung â oder
Ercellenz dieĂ oder jenes beabsichtigt. . .",
âSo", antwortet Se. Ercellenz, aber dieses
langgedehnte âSo"? richtet vor ihm eine
Mauer auf. vor welcher der neugierige Frager
sich zurĂŒckzieht und so viel weiĂ wie vorher."
MajlÀth. Johann Graf (Geschicht-
schreiber, geb. zu Pesth 8. October
4786, hat sich im Verein mit seiner
Tochter Henriette ertrankt im Staren«
berger-See 3. JĂ€nner 4833). Johann
ist eines der achtzehn Kinder, welche dem
Staatsminifter Joseph Graf M. ^s. d.
S. 303^ von zwei Gemalinen gebo»
ren worden. I n den Knabenjahren zu
Hause erzogen, durchging M. die speci»
sisch-staatswissenschaftlicke Studienbahn,
welche bis 4848 in Ungarn Norm war
und hörte die philosophischen Studien
zu Erlau, die Rechte in der Raaber
Akademie. Nun trat er in den Staats»
dienst und war bereits SecretÀr bei der
königl. Statthalterei. als ihn ein gefahr»
liches Augenleiden zwang, den Staats«
dienst zu verlassen. Zwei und ein halbes
Jahr unterzog er sich der Àrztlichen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Volume 16
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Londonia-Marlow
- Volume
- 16
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der UniversitÀts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon