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Mannheimer 387 Mannheimer
Diese letztere und größere Partei wollte
jedoch eine durchgreifende Reform und
einen Gottesdienst in der Art und Weise,
wie er im Hamburger Tempel bestand.
Mannheimer's Anwesenheit in Wien
war also sowohl der Regierung wie der
fortschreitenden Partei erwünscht. Er
half auch während der Zeit seiner Anwe»
senheit mit Unterstützung der damaligen
Vorsteher und Vertreter eine Gemeinde
schaffen, da eine solche damals noch gar
nichl bestand. Er arbeitete daö Pro-
gramm und «das Rituale für den Got-
tesdienst auS, und zwar auf der breiten
Grundlage der Tradition, um in solcher
Weise den Vorschriften des „Schulchan«
Aruch" zu genügen und das religiöse
Bedürfniß zu befriedigen, damit kein
Riß in die Gemeinde komme und über-
brückte so die Kluft, welcde die beiden
Parteien trennte. Er verfaßte für die Ge-
meinde die nöthigen Eingaben an die
Behörden. Er conferirte persönlich mir
dem damaligen obersten Kanzler. Grafen
Saurau. der eine besondere Theilnahme
für Mannheimer's Bestrebungen hatte,
die er auch spater bewahrte, als die Re«
gelung des Gottesdienstes zur Ausfüh.
rung kam. Bis Ende December 482l
blieb M. in Wien. dann kehrte er nach
Kopenhagen zurück, blieb aber auch jetzt
mit den Vertretern der Gemeinde im
steten Verkehre und empfahl ihnen vor
Allem. jeder Spaltung in derselben
vorzubeugen. I n Kopenhagen blieb M.
nur mehr kurze Zeit, er folgte einem Rufe
der Berliner Gemeinde, als Nachfolger
des Dr. Zunz in dejsen Predigerstelle
einzutreten. Aber die Verhältnisse der
Israeliten hatten dort mittlerweile einen
nichts weniger als erbaulichen Charakter
angenommen, Mannheimer beschloß
demnach seine Stelle niederzulegen, ging
nach Hamburg, wo er privatislrte, wäh« rend er zur Meffezeit sich nach Leipzig
begab, wo er durch einige Wochen den
Predigerdienft versah. Einer Predigt
Mannheimer's in Leipzig wohnte
damals M. L. Biedermann aus Wien
dei. Um jene Zeit begann der Bau des
neuen Iudentempels an der Stätte deS
alten Bethauses im Dämpsingerhofe. Nach
Biedermann's Rückkehr nach Wien
wurde M. von ihm zum Prediger vorge»
schlagen und er noch im November d. I .
einstimmig dazu gewählt. Da aber die
Wiener Juden damals noch keine gesetzlich
anerkannte Gemeinde bildeten und also
seine Anstellung als Prediger nicht aus»
führbar war. erfolgte sie mit dem Titel:
Lehrer an der Wiener k. k. genehmigten
öffentlichen israelitischen Religionsschule.
Seine Einbürgerung im Kaiserstaate
unterlag keinen Anstanden, als er nach.
wies. daß sein Vater, ein geborner Oester»
reicher aus Ungarn, sein Unterthansrecht
im österreichischen Kaiserstaate nicht auf«
gegeben habe. Mannheimer's Wirk»
samkeit in der Schule begann im October
4823 und dauerte bis zum Jahre 4829.
Er wirkte auf diessm Posten in «sprieß»
lichster Weise. Aber auch nach anderen
Richtungen entfaltete er eine energische
und für das Wohl der Wiener Israeliten
in hohem Grade förderliche Thätigkeit;
so entwarf er die Statuten des Bethauses.
der Wohlthätigkeitsanstalten und des
Begräbnißwesens, führte aus eigenem
Antriebe bereits im Jahre 4826 die Ge>
burts', Trauungs» und Sterbebücher ein,
die ihm zu führen erst im Iahle 4831
von Seite der Landesregierung und noch
später, 1837, in Folge einer Allerd. An»
ordnung aufgetragen wurde. Auch wurde
M. von Seite verschiedener Behörden
um Gutachten über verschiedene religiöse,
cultuelle und pädagogische Fragen ange-
gangen, in welchen er immer das Beste
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Volume 16
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Londonia-Marlow
- Volume
- 16
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon