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Marenzeller 428 MarenzeUer
daS Regiment in die Lombardei marschirt
war, kam M. nach Cremona, war dort
mehrere Jahre im Hauptspitale thätig und
brachte überhaupt die Kriegsjahre 1793
bis 1797 in Italien zu. Die folgenden
Jahre, bis 1815, änderte er mit dem Re»
gimente vielfach die Stationen, kam nach
Pardubitz, Kladrau, Radkersburg, nach
Zittau in Sachsen, nach Geya in Mahren,
nach Padua, und im I . 4813 nach Mai-
land, wo er Stabsarzt wurde. I n dieser
Stellung trachtete er vornehmlich den
Mißbrauch der Aderlässe und Purgantien
abzustellen, und gerieth dadurch mit den
ihm untergebenen Kollegen in widerwär-
tige Conflicte, welche ihm den Dienst
erschwerten und unangenehm machten;
endlick wurde er dieses WandernS und
dieser Nergeleien müde, er verlangte seine
Ablösung und Anstellung im Invaliden
hause zu Prag. welche er auch nicht ohne
Mühe erhielt. Seitdem weilte er bleibend
in Prag. Indessen studirte er mit großer
Sorgfalt die verschiedenen medicinifchen
Systeme, machte sich mit den Zehren
eines B r o w n , Rösch laub, van
Swieten, Schelling u. A. bekannt,
ohne sich zur praktischen Anwendung
derselben bewegen zu lassen. Ja sein Un-
muth über die Unhaltbarkeit der verschie-
denen medicinischen Systeme war nach«
gerade so groß geworden, daß er seine
ganze medicinische Bibliothek wegschaffte,
mehrere medicinische Schriften den Flam.
men übergab, bei welcher Gelegenheit ihm
eine Recension der neuen Curmethode des
Samuel Hahnemannindie Hände fiel
und seine ganze Aufmerksamkeit erregte.
Der Aufsatz hatte ihn in Aufregung ver»
setzt. Die Satzungen dieser neuen Lehre
waren ihm aus der Seele geschrieben und
sofort begann er die Versuche mit den
von ihm nach Hahnemann'S Angabe
getreu bereiteten Arzneien. Die glänzend- sten Erfolge krönten seine rastlosen Be-
mühungen. Seine Praxis gewann eine
Ausdehnung, wie sie in Prag bis zu
dieser Zeit nicht erhört gewesen. Kranke,
die von den Aerzten der alten Schule
bereits aufgegeben waren, wendeten sich
in ihrer Verzweiftung an ihn. I n vielen
Fällen brachte er Hilfe und feierte immer
neue Triumphe. Seine Verehrung für
Hahnemann, den er das größte Genie
unseres Jahrhunderts nannte, wuchs mit
jedem Tage. Im Jahre 4823 kam er
sogar durch einen glücklichen Zufall, da
er zu einem schwer leidenden Kranken
nach Leipzig berufen wurde, mit Hahne«
mann persönlich zusammen. Das Zu«
sammentreffen von Meister und Schüler
steigerte leicht begreiflich den Enthusias-
mus des Letzteren, man mußte, um dieß
zu begreifen — ohne Rücksicht auf die
Bedeutsamkeit des Systems Hahne.
mann'S — dessen Liebenswürdigkeit im
UmZange gekannt haben. Nun entspann
sich ein Briefwechsel zwischen Hahne,
mann und Marenzeller, und Letzterer
wurde in der That als Arzt Hahne-
mann's Apostel in Oesterreich. Inner»
halb zwölf Jahren hatte er über zwölf-
tausend Kranke nach der Homo opatischen
Heilmethode behandelt und war unter
diesen eine unglaublich kleine Anzahl von
Todesfällen vorgekommen, aber mit die»
sen überraschend glücklichen Erfolgen auch
der Neid und die Mißgunst seiner Zunft-
genossen gewachsen. Die Gegner theilten
sich in zwei Lager: die Einen erklärten
die Gaben der Homöopathie für Nichts
und die unleugbaren Heilungen für Na-
turheilungen. die Anderen wieder erklär»
ten diese Heilmethode für eine Giftpraxis,
die Arznei für Gifte und die Heilungen
für gefährliche Experimente. Alles geschah
nur um M. in Ausübung seiner Methode
zu hindern. I n Blättern und anderen
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Volume 16
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Londonia-Marlow
- Volume
- 16
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon