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Marenzeller 429 Mareiyeller
Druckschriften häuften sich die Beschuldi
gungen und Angriffe gegen diese Heilart
als Charlatanerie und der Staat als
oberste Aufsichtsbehörde ordnete Unter
suchungen an, drohte mit Cassation und
Entziehung persönlicher Freiheit, sperrte
und versiegelte die Hausapotheken n.
dgl. m. Unter diesen Drangsalen war der
Ruf der glänzenden Erfolge der soge>
nannten Marenzeller'schen Heilart
indeß weit über die Grenzen der Provinz
bis in die Residenz gedrungen und zur
Kenntniß des Kaisers Franz I. gelangt.
Der Monarch ließ sofort die neue Lehre
einer am Krankenbette anzustellenden
Prüfung unterziehen. Durch ein Hand.
billet ordnete der Kaiser an, daß an der
k.k. medicinisch-chirurgischen Iosephs'Aka-
demie klinische Versuche mit der homöo«
pachischen Heilart anzustellen seien, welche
mit dem 2. April 1828 zu beginnen hat»
tm. M. begab sich zu diesem Zwecke
eigens von Prag nach Wien. Ueber den
Verlauf dieser Versuche und deren Ergeb«
niß gibt M.'s Sohn in der Biographie
deS Vaters nähere Aufschlüsse. Während
M.'s kurzem Aufenthalte in Wien war
aber der Zuspruch der Kranken ein so
großer, daß er bald erkannte. Wien sei
der einzige Ort. von wo aus der neuen
Lehre eine größere Verbreitung inOester«
reich und von dort in anderen Staaten
des Contingents erwachsen könne. Er
reichte nun sein Gesuch um Diensten!»
Hebung ein und wurde nach mehr als
vierzigjähriger Dienstleistung in den er«
betonen Ruhestand versetzt. Um die Mitte
des Jahres 1829 übersiedelte er aber
nach Wien, wo seine Praxis bald eine
glänzende war. Dieser Umstand, ferner,
daß er in seinem Enthusiasmus für die
neue Heilart über die alte rücksichtslos
den Stab brach, und endlich die Angriffe
seiner Collegen auf dieselbe mit Kühnheit und Freimüthigkeit widerlegte, zog ihm
bald viele und sehr ergrimmte Feinde zu.
welche nichts unterließen, ihm und seiner
Methode wie und wo sie nur konnten,
Schaden zuzufügen. Die Verfolgungen
und Chikanen von Seite der Facultät
und Behörden nahmen mit jedem Tage
zu. und M. selbst war von Stunde zu
Stunde auf das Aeußerste gefaßt. Er
wendete alle Mittel an, um diesen Ver.
folgungen zu entgehen oder sie doch ver.
geblich zu machen, dieß aber steigerte nur
den Grimm semer Gegner. Wiederholte
Audienzen bei dem Kaiser Franz, der
M.'s Widersetzlichkeit scharf tadelte, blie-
ben erfolglos. Doch aber ging M. seinen
Weg ruhig weiter und hatte endlich die
Genugthuung, daß der Kaiser mittelst
Handbillet im Jahre 1832 daS Verbot
der Ausübung der Homöopathie aufhob;
Erzherzog Johann ihn zu seinem Leib«
arzte erhob und König Friedrich Wil«
Helm IV. in einem Handbillete aus»
sprach, daß er M.'S Bitte, dieser Heil-
methode in seinen Staaten die allergnä«
digfte Unterstützung angedeihen zu lassen,
berücksichtigen werde. Endlich ertheilte
noch Kaiser Ferdinand imI . 1840 die
Genehmigung zur Gründung eines Ver«
emS homoopatifcher Aerzte und die Ge>
stattung des freien Selbstdispensirens
homöopatischer Arzneien. Als Schrift,
steller zu wirken, gestattete ihm seine um-
fangreiche Praxis nicht, doch aber hatte
sich in seinem Nachlasse eine reiche Anzahl
von Ansichten über verschiedene Krank«
heitsgenera, viele Krankheitsgeschichten.
Krankenprotokolle u. dgl. m., und endlich
eine ganz besondere Arbeit: „Die Con«
ftitutionseintheilung" mit der be>
treffenden Tabelle gefunden. Zu dieser
„Constitutionseintheilung" wurde M.
durch Lavater's Ppysioguomik, die
sein Lieblingsstudium bildete, angeregt.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Volume 16
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Londonia-Marlow
- Volume
- 16
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon