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Markl 436 Markl
bei Ausarbeitung eines topographischen
Werkes verwendete. So lebte er bis zum
Jahre 1833 von der kleinen Einnahme
eines Taggeldes. Nachdem im letzt«
genannten Jahre das topographische
Bureau der Stände war aufgelöst wor«
den, kam M. als Registraturs-Praktikant
in Verwendung, behielt sein bisheriges
Tagegeld und hatte speciell die Bi-
bliothekgeschäfte zu besorgen. I n dieser
bescheidenen Stellung verblieb er zehn
Jahre, als ihn endlich eine günstigere
Wendung des Schicksals traf. er erhielt
nämlich eine definitive Anstellung als
Registiant mit einer Iahresbesoldung
von 500 fi. Im Verlaufe von neuen
zehn Jahren wurde sein Gehalt sogar
auf 800 st. erhöht und zudem erhielt er
ein mäßiges Quartiergeld. Dieser ein«
fache, in den niederen Beamtensphären
sich häufig wiederholende Lebensvorgang
bildet nicht das Moment der Denkwür«
digkeit an diesem jedenfalls merkwürdigen
Menschen. Mark l , dieser schlichte, an-
spruchslose und in den Kreisen, in denen er
sich bewegte, hochgeachtete Mann, war das
Oberhaupt einer Secte. welche sich „Neu-
Salemiten", auch „Iohannesbrüder"
nannte. Diese Secte hatte ihre Haupt«
lehren den Schriften deS Theosophen
Emanuel von Swedenborg entlehnt,
und schon im Jahre 4835 hatte Mark l
in Wien durch Verbreitung von Druck»
schriften neukirchlichen Inhaltes, wie
durch seine heiligen Visionen und Ge«
dichte, und durch die ihm angeblich ge«
wordene göttliche Offenbarung auf seine
Anhänger einzuwirken gesucht. Nach
ihrer Lehre hielten sich die Johannes«
brüder an die zehn Gebote Gottes und
behaupteten, daß die Bibel das einzige
endgiltige religiöse Buch sei, welches
unter göttlicher Eingebung geschrieben
worden wäre. Dagegen verwarfen sie die Sacramente der Kirche und alle mit dem
christkatholischen Ritus verbundenen Cere-
monien. Die Taufe erschien ihnen ebenso
überflüssig, als die kirchliche Einsegnung
einer Ehe. Sie ließen die erstere nur
als eine vom Staate anbefohlene Maß»
regel zu. Dagegen betrachten sie die Ehe
als geschloffen, sobald sich Mann und
Weib in wechselseitiger Liebe und Ver«
trauen vereinigen. Sie besuchten keine
Kirche, weil nach ihrer Anschauungsweise
jeder Mensch die Kirche in seinem Herzen
trage. Die feierliche Bestattung von
Verstorbenen erschien ihnen als Ab»
götterei; deßhalb begleiteten sie keine
Leiche zur ewigen Ruhestätte. Im äußeren
Verkehre mit der Welt konnte man ihnen
nichts zur Last legen. Im Gegentheil,
Vieles erschien bei strengerer Beobachtung
empfehlungswürdig, besonders für die
Häupter kleiner Familien und Haushal-
tungen. Die Iohannesbrüder schnupften
weder noch rauchten sie, sie enthielten sich
vom Genusse aller gebrannten Flüssig»
keiten. theilweise auch des Biertrinkens.
Auch hatten sie das Karten« und jedes
Lotteriespiel aus ihrem Hauskreise ver»
bannt; das waren allerdings Entsagun«
gen, welcke goldene Früchte trugen,
indem sie das Sittlichkeitsgefühl und die
Wirthlichkeit erhöhten und hierdurch daS
„Familienglück" dieser Leute neu befestig,
ten. Ihre zwölf Hauptlehrsätze, wie die
späteren Verrücktheiten und Ueberspannt«
heiten, in welche diese neue Lehre aus»
artete, theilt daS in den Quellen bezeich«
nete Journal «die Glocke" 1863 und
zwar erstere in Nr. 61. letztere in Nr. 93
mit. Von dieser Secte nun war Mark l
der Gründer und das Oberhaupt. Das
Endziel der Bestrebungen der Johannes«
brüder mochte wohl der „Communis«
mus auf religiöser Basis" sein, ob
aber der angefachte religiöse Fanatismus
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Londonia-Marlow, Volume 16
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Londonia-Marlow
- Volume
- 16
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon