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Martinovics Martinovics
geregten Gemüther gab es zur Genüge,
und bald gelangte die kaiserliche Regie«
rung in Wien zur Kenntniß einer Ver«
fchwörung, welche nichts geringeres als
den Umsturz der bestehenden Verfassung
im Sinne hatte, unter dem Namen
Resurrection in ganz Ungarn weit ver«
zweigt war, und auch mit einer der
Freimaurerlogen, welche damals in Wien
gestattet waren, zur goldenen Weltkugel
in der Iosephstadt, in thätigem Verkehre
stand. Dieß war die Lage des Landes,
als Kaiser Leopold eS versuchte, den
Sturm, der fick zu erheben schien, zu
beschwichtigen und Männer in seine un»
mittelbare Nahe zog, welche das Land
und die Verhältnisse desselben kannten
und deren Rath bei seinen Entschlüssen
und Verfügungen maßgebend sein sollte.
Unter diesen Mannern befand sich auch
Mart inovics. Der Kaiser berief ihn
an seinen Hof und gab ihm bedeutenden
Iahrgehalt. In wieferne diese Wahl
glücklich zu nennen, läßt sich wohl schwer
sagen, wenn man der kurzen Schilderung
gedenkt, welche Feßler in seiner geist«
vollen Selbstbiographie von Marti«
novics macht, den er kurz einen „Mann
voll ungezähmtem Ehr» und Geldgeizes,
entschiedenen Atheisten und politischen
Fanatiker" nennt. Diesen Mann nun
schickte der Kaiser im Jahre 4792 in
einer Sendung an König Lud w ig XVI.
nach Paris. Dort aber trat M. mit den
Häuptern der Bergpartei in Verbindung,
begeisterte sich für deren Ideen und
begann, nach Ungarn zurückgekehrt, im
Geiste derselben zu wirken, wobei er sich
des Einstuffes, den ihm dieVertrauensstel»
lung bei Kaiser Leopold I I . gewährte,
geschickt zu bedienen wußte. Leopold
hatte, um die Ungarn auf die Reformen
vorzubereiten, die er mit ihnen im Sinne
hatte, sich mit vielen mächtigen Magna« ten und sonst einflußreichen Männern
deS Landes in Verbindung gesetzt und
Mart inov ics beauftragt, seine Ab«
sichten zu popularifiren. Der Kaiser ge»
langte nicht mehr dazu, seine Ideen zu
verwirklichen, sein plötzlich eingetretener
Tod war hindernd dazwischen getreten.
Kaiser Franz, sein Nachfolger, hatte
aber keineswegs die Absicht, den von
seinem Vorgänger eingeschlagenen Weg
fortzusetzen. Das war für die Revo-
lutionären in Ungarn ein Grund mehr,
ihre Pläne zu festigen, für deren AuS»
breitung möglichst thätig zu sein und den
Zeitpunct des allgemeinen Ausbruchs zu
beschleunigen. Nun zeigte sich Mart i»
novics am thatigsten', was er vorher
als des Herrschers Willen verkündete,
that er nun im Namen der Revolution,
stellte es als unabweisbares Recht des
Volkes auf und diese seine Thätigkeit
hatte zur Folge, daß ihn die ungarischen
Liberalen zu ihrem Oberhaupte wählten.
Um die Bewegung zu concentriren, hatte
M. Ungarn in vier Districte getheilt, an
deren Spitze ein von ihm gewählter
Agent stand. Der Director des Pesther
Districtes war I . Hajnoczy; jener
des Debreczmer Districtes Johann Lacz»
kovicz; jener des Kaschauer Districtes ,
Szent-Mar iay und jener des Di»
stricteS dießseits der Donau Jacob Graf
Scigray. Wie groß die Anzahl der
Verschworenen war, läßt sicb mit Be«
stimmtheit nicht angeben, immerbin war
sie unter den Gutsbesitzern und Literaten
Ungarns ziemlich bedeutend. Die Zahl
der Verhaftungen der mehr Schuldigen
belief sich an 200. Das Complot sollte
gegen Ende August 1794 auSbrechen.
In der Hauptstadt saßen gegen 45.00l>
Franzosen gefangen. Auf das von derr
Verschworenen gegebene Zeichen sollten
zuerst die Gefangenen befreit werden.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Maroevic-Meszlenn, Volume 17
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Maroevic-Meszlenn
- Volume
- 17
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1867
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 506
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon