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Metastasio Metchasio
daß er seiner Nachahmung ein wenig von
dem launenhaften und romantischen Gang«
Ariost's beimischt, sich übrigens wohl hü
tend. die Vorschriften der Kunst zu verletzen,
die er im Aristoteles und im Hora
gründlich studirt hat. Der freie Gedanke
erschreckt seine schüchterne Natur; in der
Poesie, wie in der Moral, wie in allen
Dingen will er das sein, was die Anderen
vor ihm gewesen sind, weiter geht sein Ehr,
geiz nicht Verlorene Pfade locken ihn nicht
auf dem leichten ebenen Wege liebt er einher
zu schreiten, gewiß, daß er hier auf keine
Abgründe stößt Versucht kühne Fragen mit
ihm, legt das glühende und schmerzliche
Andenken der Seele bloß. ihr hartnäckiges
und immer vergängliches Forschen nach Wahr,
heit — er wird euch antworten, daß er
angemessener findet: il oi^äo^s cko 1'in-
vLätigaro (zu glauben als zu forschen).
Seine Art, ein Drama zu componiren, ist
bald begriffen und in der That nicht schwer.
Er nimmt die Personen auü französischen
Tragikern oder auch aus Maffe i und Apo»
stolo Zeno; nach dem Bedürfniß deS Ge»
gcnstandcs vernichtet er ihre Nationalität
als Griechen oder Römer durch bloße Aew
derung ihres Namens, und macht Egypter,
Perser, Chinesen, barbarische Afrikaner daraus.
Für Metastasio haben alle Völker dieselbe
Physiognomie, er absorbirt jedes Alter und
jede Civilisation, er erblickt Alles durch das
achtzehnte Jahrhundert, aber die große Ve>
wegung dieses Jahrhunderts ist seinem Werke
fremd. Er ist in die Welt der äußren
Erscheinungen eingedrungen, er hat sie immer,
aber nackt, der Zeit des Einflusses der Insti»
imionen ledig, des moralischen Sinnes de>
raubt, der ihnen Originalität und Leben
gibt. Für diese Bemerkung wollen wir an
die „Merope" von Ma ffei erinnern, woraus
der „Erkannte Cyrus" von Metastasio
geworden ist. Doch besteht ein kleiner Unter»
schied zwischen dem alten Orient und dem
jungen Griechenland: Ormuzd, Ahriman,
Zoroaster sind im Cyrus so verkannt, als
wenn sie nie existirt hätten, das Symbol
eristirt nicht für Metastasio. Schlegel
nennt die Dramen des römischen Dichters
„tragische Miniaturen"; das Wort ist gering»
schätzig, aber man kann es nicht in Abrede
stellen. Er sagt weiter: „Wenn man eines
der Stücke dieses Dichters gelesen hat. so
kennt man sie alle, und man bemerkt b'.lld.
daß die allgemeine Composition der Phr.sio« gnömie entbehrt." Metastasio versucht aber
indeß auch Besonderheiten, um seinen Dich-
tungen diese unglückliche Einförmigkeit zu
nehmen, um sie wenigstens zu verbergen.
Man findet bei ihm Prinzen, die als Schäfer
erzogen worden sind, flüchtige und unglückliche
Prinzessinen, die genöthigt sind, Schäferinen
zu werden, und die ihre Schafe mit dem
Stolze der Erminia Torquato's auf die
Weide führen; es gibt deren andere mann«
haftere. welche die Lanze und das Schwert
zur Hand nehmen, und ihre weibliche Schön«
heit unter dem Gewände des Mannes ver«
bergen. Was die Licbe betrifft, so wollen
wir nicht vergessen, anzuführen, daß der
Dichter immer zwei anbetungswürdige Prin»
zessinm in seine Dramen bringt, von welchen
die eine von mehr als Einem Helden über
alle Maßen geliebt wird, und die andere
sich in verachteter und rasender Zärtlichkeit
verzehrt. Zenobia, in dem Drama dieses
Namens, hat nicht weniger als drei Lieb«
Haber; Berenicc in der Antigone hat,
gegen ihren Willen,- dasselbe verzweifelte
Glück in der Liebe. Alle diese Rivalitäten
einerseits und die Verzweiflung andererseits
geben zu lärmenden Scenen Anlaß: die
Liebhaber diohen sich und führen heftigen
Krieg gegen einander, die verschmähte Lie-
bende trägt ihrem Undankbaren anmuthige
Gemeinplätze vor und beschimpft ihn feier-
lich Hie und da kommen Othello's vor, die
ihre Deödcllwnen in den Fluß werfen, aus
welchen sie lebend und leidenschaftlicher als
je wieder herauskommen, Seine Semiramis
hat diese Probe bestanden. Nie verfehlt ein
Versuch zum Morde oder zum Selbstmorde,
jedes Drama zu schmücken; man rechnet
darauf und wartet ihn ruhig ab, denn man
weiß wohl, daß der Dichter zu liebenswürdige
Neigungen hat, als daß er die Scene nu't
Blut beflecken sollte. Da jedes Kunstwerk
eines Schlusses bedarf, so verheiralhen sich
Prinz und Prinzessin, eines vom anderen
entzückt, der abgewiesene Liebhaber geht nicht
hin uud erzählt sein Mcnthyrthum dem
Monde, den Winden und den Felsen; er
heirathet wohlgemuth die Frau, deren Seuf«
zer er verschmäht hatte; Jedermann wird
glücklich, außer wenn nur zwei Prinzessinen
auf drei Anbeter da sind. Ist das der Fall.
so opfert der Dichter die Liebe eines heim»
lichen Verrathers, der eine nothwendige
Person in den meisten seiner Dramen und
sehr unbedeutend, wenn er nicht lächerlich
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Metastasio-Molitor, Volume 18
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Metastasio-Molitor
- Volume
- 18
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1868
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 522
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon