Page - 19 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Metastasio-Molitor, Volume 18
Image of the Page - 19 -
Text of the Page - 19 -
Metastasio Metastajw
ist. Noch sei als eines merkwürdigen Effectes
der Palastbrände erwähnt. So straft Iarbas
die Verachtung Dido's und so befriedigt
Osroös, der König der Parther, seinen Haß
gegen den Kaiser Adrian, seinen Ueberwinder.
Dido stürzt sich in die Flammen. Dieser Zug
ist unerhört für Metastasio; er hat sich
ihn sein ganzes Leben lang vorzuwerfen ge<
habt. Aus dem Studium Metastasio's
ergibt sich eine Bemerkung, welche um so
wichtiger ist. als sie mit seiner Natur zusam»
menhängt. Metastasio ist von Grund aus
anständig und milde, daß er auf die Gefahr
hin, in den Ruf der Unkcnntniß zu gerathen,
Könige von Persien, wenn sie beleidigt sind,
in erbarmungsreiche und zärtliche W>scn
umschafft und Verbrecher in fromme Helden.
Seht seinen Artaxerres, der sich begnügt,
Artaban zu verbannen, den Mann des
Blutes und der Treulosigkeit, der seinen, des
Artaxerres, Vater ermordet, und ihn zum
Mörder eines Bruders gemacht, der außer-
dem ihn selbst, den König vergiften gewollt.
Und weit entfernt, das Geschlecht des straf,
baren Großen auszurotten, wie ihn das
Herkommen dazu befugte, gibt er seine
Schwester Mandaue dem Sohne Artabans
zur Gattin und er seldst hcirathet die schöne
Semira, die Tochter dieses Artaban. Hero-
dot und Xenophon hätten sicher keinen König
von Perfien in diesem sanften Artarerxcs
vermuthet; selbst das Persien unserer Tage
und der ganze Orient würden ihn uerläug<
nen. . . . Warum wählte denn Metastasio
wahre Tragödien, wenn er sie wie Idyllen
behandeln wollte? Dieser große Ehrgeiz ge»
lang ihm schlecht. Warum macht er nicht
Hirtengedichte in der Artseiner „Olympiade",
seines „Achilles auf Scyros", seiner „Hyper»
menestra" oder seines „Hirtenkönigü". Hier
sind seine diScreten und reizenden Ergießun»
gen, seine liebliche Sprache, sein Cultus für
Aristoteles am rechten Orte. Auch kann
man sich nicht eines Erstaunens erwehren,
welcheS an Ungeduld und Geringschätzung
streift, wenn man sieht, wie Metastasio
die erhabenen und ernsten Gestalten des
Rcgulus und des Cato von Utica, welche
ein Shakespeare oder ein Cornei l le
mit ihren Nicsenhänden in Granitfelsen ge«
hauen, aus welchen sie Götter gemacht hat»
ten, in Thon xnetet." Man sieht auS Vor«
stehendem, Dup in hat den Dichter aufmclk»
sam studirt und ihm in seinen kritischen
N523,? durchaus nicht geschmeichelt, er schläl einen von den blinden Verehrern des Dich«
ters abweichenden Ton an. Wenn er aber
den Dichter nach dieser einen Seite, nach
jener der dramatischen Composition.schonungs»
los verurtheilt, so ändert er sofort seine
Ansicht, wenn er auf die Sprache in Meta<
sta sio's Dichtungen kommt. „Die italienische
Sprache", schreibt Dup in , „in welcher
Dante zugleich die ungekünstelte Anmuth,
den Mystimnus und die Stürme der Zeit
abgeprägt hat, hat bewiesen, daß sie Alles
sein kann, was das Genie wil l, daß sie
weich sei. schmeichelnd, köstlich melodisch,
aber dagegen strenge, abstoßend, aufbrausend,
ungezähmt und unerhaben. -Es gibt keine
andere Sprache, welche mehr Elemente der
Originalität und des Lebens enthält. Meta«
stasi o, dem die Gabe des weiten Gedankens
nicht geworden, nahm die gefällige und reizende
Sprache, welche Jedermann redete, und machte
einen entzückenden Gesang daraus. Dieser
Arbeit war er vollkommen gewachsen. Es
gibt einige lyrische Stücke, welche eine Frische
athmen, einen Tonfluß, eine Harmonie
besitzen, die Sinn und Herz zugleich bezau«
bern. Man ist entzückt, wie man es im
Frühlinge sein würde, in einer schönen rosig
erhellten Landschaft, wo das sanfte Gemur»
mrl eines rieselnden Gewässers sich zu der
hellen und reinen Luft mischt, in welcher die
Festgesänge der kleinen Vögel erschallen. Man
kann mit dem Sinne der Werke, unbekannt
bleiben, die Wirkung ist da unabhängig
vom Sinne. Es ist eine Musik, die auch
innerlich vergnügt und auch Liebe athmen
läßt für die Dinge der Erde; der Reiz, das
ist freilich wahr, schwindet, sobald sie auf»
hört, denn sie hat nicht das Geheimniß der
unendlichen Träumerei, die tiefen Töne
fehlen ihr, sie hat nichts von der plötzlich
offenbarten Größe behalten; es ist eine
Sprache, welche Nichts wagt." — Diesen
Beurtheilungen der deutschen und französi»
schen Kritik stellen wir nun Zum Schlüsse
noch jene der Italiener zur Seite, Die Ita-
liener weichen wesentlich von den Ansichten,
die eben mitgetheilt worden sind, ab; sie be»
wundern entweder mit Bewußtsein und haben
nur Augen für seine Vorzüge, oder sie be-
wundern blindlings und finden die Irrthü-
mer des Genius ebenso anbetungswürdig,
wie seine Tugenden. Nüchterner, zurückhal-
tender in diesem Entzücken sind Andres in
„DoU' oi'iKws, Vro3rsL20 o Ltato kttualo äi
a^ni lettsratura", an den sich auch Maf-
2»
back to the
book Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Metastasio-Molitor, Volume 18"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Metastasio-Molitor, Volume 18
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Metastasio-Molitor
- Volume
- 18
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1868
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 522
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon