Page - 214 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Volume 20
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untergeordnetes Personal, erhöhte frei-
willig dessen Gagen, bewilligte dem Chor«
Ballet und Orchester-Personal alljährlich
mehrere Einnahmen, alles Dinge, die
Carl nicht kannte, und wenn man sie
ihm zugemuthet. mit cynischem Entsetzen
zurückgewiesen hatte. Man legt Nestroy
eine Phrase in den Mund, die nicht
geringer lautet als: „Ich glaube 'von
jedem Menschen das Schlechteste, selbst
von mir und ich habe mick nie ge«
täuscht". Schon der zweite Satz dersel.
ben entkräftet das Ganze; ein Mensch,
wie Nestroy sich in seinen Handlungen
zeigte, konnte immerhin das Schlechteste
von
sich selbst glauben, er war eS deßwegen
noch immer nicht. In seinen häuslichen
Verhaltnissen war er wohl nicht glücklich.
Von seiner Frau, von der er seit Jahren
geschieden lebte, besaß er drei Kinder,
Gustav, Beamter bei der k. k. Ferdi«
nands-Nordbahn, Kar l . k. k. Haupt-
mann im Geniestabe, und Mar ia, ver«
ehelichte Hauptmann Sluka; daß er
aber zärtlicher Empfindungen und einer
dauernden Dankbarkeit fähig gewesen,
dafür spricht eine Stelle seines in der
ganzen Fassung originellen letzten Wil«
lens, welche lautet: „Zur Universalerbin
ernenne ich Maria We i l e r (gest.
31. October 4862), die treue Freundin
meiner Tage. welche durch aufopferndes
Wirken das Meiste zur Erwerbung mei-
neS Vermögens beigetragen hat. so zwar,
daß ich nicht zu viel sage, wenn ich
behaupte, sie hat gegründetere Ansprüche
darauf als ich selbst". Diese einfache
Stelle zeichnet vollkommen ein tiefdank,
bares Gemüth. Uebrigens wird durch
das Testament das Recht keines Fami-
liengliedes verkürzt. Noch sei zum
Schlüsse bemerkt, daß kaum ein Dichter
so abweichende Urtheile erfahren hat wie
eben Nestroy. Deßhalb werden in den Quellen. S. 220 u. f., zum Verständnisse
dieses „Hogarth's der Wiener Bühne"
einige der wichtigeren mitgetheilt. Ne>
stroy ist. wie schon gesagt worden, am
25. Mai 1862 in Gratz gestorben, von
dort wurde die Leiche, der man bis zum
Bahnhöfe ein ehrenvolles Geleite gege»
ben, nach Wien überführt, wo sie am
2. Juni 2 Uhr Nachmittags in der
Pfarrkirche zu St. Johann in der Pra»
iGstraße feierlich eingesegnet und unter
Begleitung einer unübersehbaren Volks«
menge auf dem Währinger Friedhofe in
der Familiengruft beigesetzt wurde. Die
Grabrede hielt Anton Langer. Sein
Grab, auf demselben Friedhofe, auf
welchem Schubert und Beethoven
ruhen, trägt die einfache Inschrift: „Io>
hann Nestroy". — Das Berliner Spott-
und Witzblatt „Kladderadatsch" meldete
Nestroy's Tod in einem auS den Titeln
seiner bekanntesten Stücke in ganz witzig
sinniger Weise zusammengesetzten Parte»
zettcl folgendermaßen: „Der Witz war
„Der Ta l isman" , der ihn in der
„Verhäng niß vollen Faschings»'
nacht" dieses irdischen Daseins stets
begleitete. Neid und Kabale, diese „bei-
den Nachtwandler" und Begleiter
jedeS Verdienstes, verfolgten auch ihn,
sobald es hieß: „Einen Jux wi l l er
sich machen". Mancher, den er „Mein
Freund" genannt, griff ihn „Uno er«
hofft" an; Nestroy war dann „Der
Unbedeutende", der von der Kritik
„Zerrissene". Aber „gegen Thor-
heit gibt es kein Mit te l " , und „Ein
Mäd.el aus der Vorstadt" steht oft
höherals „Die Freiheit inKrähwin-
kel". und der „Tritsch.Tratsch" der
„schlimmen Bub en" macht Einem oft
„Höllenangst". Nach so viel „Glück,
Mißbrauch und Nückkehr", nach
allerlei „Liebesgeschichten und
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Volume 20
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Nabielak-Odelga
- Volume
- 20
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1869
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon