Page - 230 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Nabielak-Odelga, Volume 20
Image of the Page - 230 -
Text of the Page - 230 -
Netzer 230 Neher
den Entschluß, nach Wien zu gehen, um
daselbst seine weitere wissenschaftliche und
musikalische Ausbildung zu erlangen.
Trotz des Widerstrebens seineS Vaters,
der ihm rieth, seme sichere Stellung nicht
mit einerunsicherenZukunft zu vertauschen,
führte er den Entschluß auch aus und
zog mit seinem ersparten Schatze von
300 fi. nach der Kaiserstadt. Hier
studirte er Philosophie und wurde in
kurzer Zeit einer der gesuchtesten Piano»
fortelehrer und nahm seinen jüngsten
Bruder zu sich. Als er bald darauf
seinen Vater durch den Tod verlor, sah
er sich, um seine hilflose Mutter und die
übrigen fünf Geschwister unterstützen und
ernähren zu können, genöthigt, seine SW»
dien aufzugeben und sich ausschließlich
dem Musikunterrichte zu widmen. Um so
viel Geld als möglich zu verdienen, gab er
fortan taglich 10—11 Unterrichtsstunden.
Zur eigenen Ausbildung hatte er fich
seinen Landsmann, den Domcapellmeister
Gänsbacher, erwählt, der ihm die
CompositionSlehre vortrug und ihn auch
bis zum doppelten Contrapuncte brachte,
bei diesem aber den Unterricht schließen
mußte, weil er da eben mit seinen eigenen
Kenntnissen zu Ende war. Schon zu
dieser Zeit lieferte Netzer einige kleine
Cornpositionen und versuchte sich in
Fugen. Dieselben hatten sich jedoch des
Beifalles seines Lehrers nicht zu erfreuen,
obgleich sich Franz Schubert, mit wel.
chem Nchor im Jahre 1828 in ein inni-
ges Freundschaftsverhältnis getreten war
und mit dem er viel vierhändig spielte,
ja der ihm auch fast alle seine herrlichen
Lieder vorsang, stets sehr lobend darüber
äußerte. Nun wandte er sich an den
berühmten Generalbaßlehrer Simon
Sechter mit der Bitte, ihm seinen
Unterricht angedeihen zu lassen. Und das
war der rechte Mann für ihn. Ohne Umschweife enthüllte Sechter seinem
Schüler, daß das bisher Gelernte für
ihn ohne Nutzen sei. Netz er, sich schon
nahe am Ziele wähnend, mußte nun mit
seinem Studium wieder von vorne be»
ginnen und sah sich der Früchte dreijäh-
rigen rastlosen Fleißes beraubt. Aber
er lernte auf'S Neue mit eiserner Geduld
und Ausdauer. Die ebenso treffliche, als
klare und verstandliche Methode Sech-
ter'S gefiel ihm sehr und er machte
die tüchtigsten Fortschritte. I n die-
ser Zeit wurde N. von zwei trau«
rigen Ereignissen schwer heimgesucht,
zuerst starb sein jüngster Bruder, sein
Liebling, welchen er bei Ausbruch der
Cholera (1831) in Wien nach Briren
gesandt hatte, dajelbst am Nervenfieber
und bald darauf auch seine Mutter. Im
Jahre 1836 war es, als Netz er sein
angestrengtes fünfjähriges Studium voll»
endete. Nun begann sicd unter Anleitung
Sechter's sein Compositionstalent zu.
entfalten. Seine ersten Kompositionen
waren Kirchenmusiken im strengsten
Style, eine Messe, zwei Offertorien, zwei
Graduale und viele Fugen. Nicht nur
Sechter, auch die Hofcapellmeifter
Eibler und Weigl äußerten sich auf
das Lobendste darüber. Diesen Erstlingen
folgten alsbald viele Lieder und Vocal»
Quartetten, dann auch eine Symphonie
in Oäuri welche er aber, nachdem er sie
in der Ausführung gehört hatte, der
steifen Instrumentirung wegen selbst^ ver-
warf. Schon seine nächsten Compositio«
nen inftrumentirte er ganz anders und>
viel glücklicher. Zunächst wagte er sich
nun an ein größeres Werk und schrieb
seine erste Oper: „Nie Belagerung von.
Gllthenbnrg", die jedoch trotz aller Be>
mühungen' vieler Kunstfreunde, und ins»
besondere Staudigl 's , der sich sehr für
dieselbe interessirte, nicht zur Aufführung,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Volume 20
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Nabielak-Odelga
- Volume
- 20
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1869
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon