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Neubauer 240 Neubauer
Schlichte grol l schreibt, allen seinen
anderen Werken vorgeht, an wahrer
Kunst hingegen und musikalischer Cor»
rectheit der Empfindung und Ausfüh»
rung allen übrigen nachstehen muß;
ferner die „Oantatl unl dir Grubernng nan
Mainz", wozu N., ohne mit der deutschen
Sprache, wenigstens mit den Regeln des
poetischen Styls, hinreichend bekannt zu
sein. den deutschen Text doch selbst hin«
zugedichtet hat und kein Anderer eS
wKgen durste, die Worte umzuändern'
dann seine „Harmanie km lauter VlllZwst
mente", mit einer Violine und einem Baß
begleitet, worin alle Künste der BlaS>
instrumente auf die feinsten Wirkungen
gleichsam in einem Brennpuncte vereinigt
waren. Es war, schreibt Schlichte«
grol l , „eineHarmonie der Sphären, die
man ertönen hörte und die alleS Irdische
vergessen ließ". Dieser Harmonie am
nächsten stand die Arie: „<l> OinZamkeit"
u. s. w.. worin die BlaSinftrumente ihre
Wirkung mit der Kraft des melodischen
Gesanges vereinigen und beide einander
wechselweise den Vorzug streitig machen.
Riehl gebührt das Verdienst, das An»
denken an diesen musikalischen Sonderling
wieder aufgefrischt zu haben. Er charak«
terisirt ihn in der Gruppe der „göttlichen
Philister", in welcher er die Namenreihe:
Gyrowetz, Rosett i , Pleyel, Wra-
nitzky, Hoffmeister mitNeubausr
schließt. „Als Schlußfigur in dieser
Gruppe der göttlichen Philister, schreibt
Riehl , steht ein gar wunderlicher Hei«
liger. Franz Neubauer. Während die
Genossen seiner Richtung meist erempla«
risch rechtschaffene Leute und gesetzte
ruhige Bürger waren, bildet er schon den
Uebergang zu jenem modernen Künstler«
thum, bei welchem etwas sociale Vor»
kommenheit als ein Wahrzeichen der
Genialität vorausgesetzt wird. Der Phi« lister kämpfte in ihm mit dem genial
lüderlichen fahrenden Kunstproletarier.
Von stets übersprudelnden, alles Maß
und alle Schranken zersprengenden Kunst«
lerlaunen besessen, hat er sich halb zu
Tode componirt und halb zu Tode ge>
trunken. Gewaltige Blitze des echten
Genius, flammen hier und da in Neu»
bauer's Werken, aber zumeist nur, um
alsbald in gedankenloser Trivialität oder
in wüster Unordnung zu erlöschen. Es
ist ihm mitunter gelungen, Gedanken in
Töne zu fassen, kühn heranbrausend,
zornesmuthig, daß fie schier wie eine
Weissagung auf Beethoven klingen
und unmittelbar daneben pflanzt fich
dann wieder die platteste Alltäglichkeit,
welche bis zu dem A«B'C der musikali-
schen Grammatik schülerhaft ist. So
sindet man meist in seinen Symphonien
einen vortrefflich gelungenen Satz, alles
Uebrige aber im äußersten Grade mittet«
mäßig. Man fühlt es da recht, wie der
beklagenswerthe Meister die Ausdauer
niemals finden konnte, ein in Begeiste»
rung begonnenes Werk auch in Begeiste-
rung zu Ende zu führen. Zum Exempel
hat er eine Symphonie in O-moII ge>
schrieben, wo das Finale in O-äur ge-
nau den Eindruck macht, als hätte der
Komponist im Gegensatze zu dem ersten
vortrefflichen Mollsatz musikalisch schil-
dern wollen, wie auf einen göttlichen
Rausch ein höchst menschlicher Katzen-
jammer folgte". Neubauer's Werke
sind selten geworden; denn wie er
seine glücklichsten Gedanken wegwarf,
so verschleuderte er auch seine aus-
geführten Arbeiten. Gerade die besten
sind Manuscript geblieben, viele verloren
gegangen. Was im Drucke auf uns ge>
kommen ist, gibt kaum ein Bild deS
echten Neubauer; denn es sind meist
auf Bestellung nach dem Bedarfe der
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Volume 20
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Nabielak-Odelga
- Volume
- 20
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1869
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon