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Neumann 277 Neumann
Mutter für die Kunst ausgebildet wurde
und in der That in derselben eine so
hohe Stufe erreichte, daß Einem bei dem
' Anblick von Mutter und Tochter unwill
kürlich Schiller's Worte in der „Braul
von Messina" einfallen: „Aber das
Schönste erlebt mein Auge: denn ich sehe
die Blume der Tochter, ehe die Blume
der Mutter verblüht". Am 23. April
1837, damals etwa ein siebzehnjähriges
Mädchen, betrat Luise Neumann zum
ersten Male die Bühne, und zwar in
Breslau. Sie gastirte in den Rollen der
Walpurgis in „Goldschmids Töchter
lein" und der Julie in „Die deutsche
Hausfrau". Ein Jahr nach ihrem ersten
theatralischen Versuche wurde sie an der
Hofbühne in Karlsruhe engagirt^ und
bald verbreitete sich ihr Ruf als Kunst
lerin auf allen größeren Bühnen. Die
Direction deS Wiener Burgtheaters er»
kannte bald diesen Edelstein und erwarb
denselben, feit dem 23. Mai 1839 bis zu
ihrem letzten Auftreten am 19. December
1836, also durch 17 Jahre, blieb
sie unun»
terbrochenMitglieddesHofburg.Theaters.
Sie ist während dieser Zeit in 203 Rollen
und 1939 Mal aufgetreten. Am öftesten
spielte sie die Lorle in „Dorf und
Stadt", nämlich 31 Mal' die Abigail
im „Glas Wasser« 47 Mal; die Karo-
line in „Ich bleibe ledig" 43 Mal; die
Marie in „Leichtsinn ausLiebe" 41Mal;
die Laura in den „Karlsschülern"
39 Mal; die Baronesse Ostburg in
der „Lästerschule" 38 Mal; die Auguste
in „Großjährig" und Alinein „Fesseln"
Z6 Mal; die Rosamunde in „Rosen,
müller und Finke" und die Amalie in
„Treue Lie^" 33 Mal; die Pauline
in „Er muß aufs Land" und Rosaura
in „König und Bauer" 29 Mal; die
Priska in den „Krisen" 28 Mal; die
Bertha in „Majoratserben" 24 Mal; die Hermine in „Gefängniß" und
Marie in „Viola" 23 Mal; Mamsell
I enn er in „Verirrungen" 22 Mal; die
Marie in „Unbewußter Liebe", Ma«
thilde in,Zurücksetzung", Ernestwe
in „Von Sieben die Haßlichste" und die
Ade lhe id in „Die Journalisten"
21 Mal; die Flor etta in „Donna
Diana". Margarethe in „Königin von
Navarra". Baronesse Steinbach in
„Magnetische Curen" und die Bertha
in „Am Elavier" 20 Mal. Die übrigen
Rollen rangiren sich unter dieser Zahl.
Viele derselben, namentlich in Bauern»
feld's Stücken, hat sie sozusagen ge«
schaffen. Aber Alle, die nach ihr in ihren
Rollen spielten, blieben weit hinter ihr
zurück. Den Abend, als sie das letzte Mal,
am 19. December 1836, als Lorle in
Dorf und Stadt" auf der Bühne von
dem Publicum Abschied nahm, wird Jeder,
der an demselben in den Räumen des
Burgtheaters anwesend zu sein so glück«
ich war. als ein Erlebniß wie kaum ein
zweites in Erinnerung behalten. Wochen»
lang vor und nach diesem Tage bildete
dieses Ereigniß das Gespräch des TageS,
Sperrsitze und Logen wurden zu unge»
Heuren Preisen, erstere mit 20 bis 80 fi.
bezahlt. Hochgestellte Damen -^ denen
Sperrsitzkarten zum Geschenke gemacht
wurden, hielten diese Aufmerksamkeit
höher, als jede andere. Im Theater
rächte das Publicum der scheidenden
Künstlerin eine Reihe von Ovationen
ar, in allen Räumen äußerte sich die
ewegteste Theilnahme. Unter den zahl»
osen Huldigungen, die ihr in den letzten
Tagen dargebracht wurden, sind zwei
esonders bemerkenswerth. Ihr lang«
ahliger Kunstcollege Karl Fichtner
'chickte ihr eine sinnige Zeichnung von
eigener Hand. Diese stellt einen Stamm»
bäum mit Lorbeerblattern vor, auf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Volume 20
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Nabielak-Odelga
- Volume
- 20
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1869
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon