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Mgclli 352 Nigelli
in die Lage gekommen, durck hervor»
ragende Bauten sein Talent zu bethäti»
gen. Seiner Kunstrichtung nach war N.
ein Anhänger Vignola's. streng sich
an deffön cmtikifirenden Formcanon hal
tend. Sein und seines Nebenbuhlers,
Ferdinand von Hohenberg, Name
traten durch zwei gleichzeitige Bauten
in den Vordergrund, welche einer»
' feits zwei verschiedene Richtungen ver»
traten, andererseits Gegenstand öffenb
Ucker Besprechung waren, die eben
wieder das wahre Talent herabsetzte und
die Mittelmäßigkeit mit der großen
Glocke ausläutete. Nigel l i führte den
Bau des evangelischen Bethauses h. C.
in der Dorotheergasse, Hohenberg
jenen des Fries'schen Palais auf dem
Iosepbplatze. Der Bau beider wurde im
Jahre 4784 vollendet und nahm nun
die öffentliche Aufmerksamkeit, die in
mehreren periodischen Schriften, wie w
der „Brieftasche", in den „Provinzial»
Nachrichten", dann in Reisebriefen und
Schilderungen über Wien auf beide
Bauwerke gerichtet wurde, in Anspruch.
Eine Partei stand zu Nigel l i und
konnte nicbt genug sein Geschick bewun«
dern: unter so ungünstigen Verhältnissen
eine Kirche in Verbindung mit einem
Wohnhause gebaut zu haben. Besonders
ein Freund des Hosbauamt-Ingenieurs
stimmte, während er den Fries'schen
Palast Hohenberg's nach allen Seiten
herabsetzte, einen wabren Hymnus auf
Nigell i 's Werk an. In demselben sei,
wie dieser Parteigänger schrieb, in stau-
nenswerther Weise das Nothwendige mit
dem Angenehmen, nämlich das Wohn-
haus mit dem Bethause, verbunden;
dabei pries er besonders die Idee des
Baumeisters, den eigentlichen Zweck des
Baues erreicht zu haben, ohne dem Auge
mehr als ein simple Wohnung vorzu- stellen. Das mag besonders für jene
Widersacher der Toleranz in den damali«
gen Tagen des ausgeklärten, aber von
Vielen perhorrescirten Iosephinismus ein
erfreuliches Zugestandniß gewesen sein,
denen die Errichtung eines protestanti«
fchen Bethauses mitten in einer katho«
lischen Residenz von vornherein ein
Gräuel war und die nun in dieser Grsin«
düng des Baumeisters dessen löbliche
Absicht erkannten, ihnen durch Verdeckung
deö ketzerischen Baues mitten in der
Stadi ein bestandiges Aergerniß zu er-
sparen. Dann rühmt N.'s Lobhudler
den auserlesenen Geschmack, der sich in
der inneren Ausführung, in der merkwür»
digen Form der zwei Halbkuppeln, in
den schöngeriesten Säulen, in der Pracht
der Kanzel u< s. w< kundgibt. Allen
diesen Wundern der Kunst entgegenge-
halten, findet der Fries'schePalast keine
Gnade. Auch die öffentliche Meinung
über beide Bauten war in zwei Lager
getheilt, die einen standen zu Nigel l i ,
die wahren Kenner zu Hohenberg.
Die alles läuternde Zeit hat nun auch
in Sacken des Geschmackes ihren Aus.
spruch gethan, und während sie über
das bedeutungslose evangelische Bethaus
mit seiner hochgepriesenen und vor Allem
regelwidrigen Doppelbestimmung,
in dem sich ohne höhere künstlerische
Inspiration nichts als ein gewisses tech»
nisches, in der Schule erlerntes Geschick
kundgibt, einfach zur Tagesordnung
übergegangen, hat sie die edle würde»
volle Auffassung, die sich im Fries'schen
Palais ausfpricht und welche selbst durch
die späteren, nichts weniger als immer
glücklichen Restaurationen nicht verwischt
werden konnte, stets anerkannt und
räumt seinen weniger durch Originalität
als durch die Traditionen, aus denen sie
hervorgegangen find, bemerkeuswerthm
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Nabielak-Odelga, Volume 20
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Nabielak-Odelga
- Volume
- 20
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1869
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 514
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon