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Veftr 23 Oeser
Magyaren vor« und zubereiten sollte.
Plötzlich mußten wir deutsche Römer Ge
schichte, höhere Mathematik und Physik
wieder in ungarischer Sprache ler
nen! Das Deutsche wurde verhöhnt, das
Lateinische war verpönt, wir mußten
binnen einem Semester mit Leib und
Seele Magyaren werden! Und in diesem
närrischen Lande, unter dieser gedanken»
los absoluten Regierung, in dieser
indifferenten, färb- und willenlosen
Stadt, in Preßburg, mußte Professor
Oeser — dessen ganzes tiefinnerliches
Wesen von deutscher Bildung und Gestn-
nung getragen war — Professor, der
deutschen Literatur und ein deutscher
Schriftsteller sein. der seine literarische
Beschäftigung verschlossen, heimlich, wie
ein — Verbrechen übte. Wie die Juden
unter der spanischen Inquisition ihre
Andacht in Kellern und finsteren Spe»
lunken verrichten mußten, so mußte
sich der freisinnige, der wahre „arme
Poet" Oeser dem Dienste der Muße.
dem Dienste der Freiheit tief im Ver»
borgenen widmen. Es war ein echtes
Martyrerthum, ein kranker Prometheus,
gefesselt an den Felsen trauriger äußerer
Verhältnisse. Oeser (Schröer) wurde
von seinen Schülern außerordentlich ge«
liebt. Seine VerufSgenoffen, seine Mit«
bürger, seine Schüler hatten keine
Ahnung von seiner Bedeutsamkeit und
feinen Productionen. Sein bescheide»
nes, schüchternes, ja ängstliches We«
sen ließ dergleichen gar nicht ver»
muthen." Noch eines ist hier zu bemer-
ken, bei der Ueberficht der von Oeser
anonym oder Pseudonym Herausgebenen
Schriften könnte man verleitet werden,
anzunehmen, Oeser sei eine Natur
gewesen, die sich etwa in subverfitiven
Tendenzen gefallen hätte. Nichts weniger
als dieß. Ein Mann von geläuterter gediegener Bildung, schmachtete er, unter
einem Volke lebend, das dem Satze
huldigt: Vxtra HuiiFZ.rirl.ui noii 68t
vita. i st 3i 6gt vita. Hon 65t ita,
und alles Fremdländische unduldsam be-
handelnd, mißachtet und von sich fern
hält. I n seinen poetischen Productionen
und in seinen freimüthigen, durchaus
aber nicht feindseligen, sondern vielmehr
rathenden und die trefflichsten Winke
zum Befsermachen enthaltenden Darstel«
lungen, athmet kein feindlicher Geist,
sondern der des gebildeten Deutsch«
ungarns, der seinem Adoptivvaterlande
das Beste wünscht. Oeser war der
Friede und die Liebe selbst, am liebsten
aufbauend und an hohen Idealen sich
erhebend, eine Künstlernatur, die immer
nur vorübergehend und nur durch die
unnatürlichen öffentlichen Verhältnisse in
die Negation gedrangt werden konnte.
— O eser's Gattin Therese (geb. 9. Mai
1803), eine geborne Langwieser,
heirathete ihn im Jahre 1823 und lebt
noch von einer kärglichen Pension in Preß»
bürg. I n dem deutschen Preßburg wußte
man gar nicht, daß sie noch lebe. Die
guten vortrefflichen Preßburger —bemerkt
der obenerwähnte Schüler Oeser's, dem
die Charakteristik desselben entnommen
wurde, die wie die Bourbons „nichts
gelernt und nichts vergessen" — haben
freilich an ganz andere Celebritäten als
an die Witwen renormirter deutscher
Männer zu denken, so z. B. an die lange
und stolze Ahnenreihe „berühmter Preß»
burger Mohnbeugelbackerinen!" Frau
Oeser (Schröer) war aber nicht nur
die geistreiche Frau eines bedeutenden
Mannes, sondern an und für sich eine
berühmte Schönheit ihrer Zeit. I n
neuester Zeit erst erschienen von ihr drei
Schriften, welche die Aufmerksamkeit der
gebildeten Welt auf diese hochgebildete
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
O'Donnel-Perényi, Volume 21
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- O'Donnel-Perényi
- Volume
- 21
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1870
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 542
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon