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Vettingen 28 Oettingen
aufgenommen. Als sich aber Neigungen
und Talente entwickelten, wurde dieser
Plan aufgegeben und der junge Graf
kam nach Wien, wo er im herzoglich
Savoyischen Stifte seine wissenschaftliche
Ausbildung erhielt. Nachdem dieselbe
beendet war. ging er auf Reisen und
nach seiner Rückkehr von denselben be»
gann er das gewählte Geschaftsleben in
der Eigenschaft eines kais. Reichshof'
rathes. In kurzer Zeit wurde er zum
katholischen Präsidenten am Reichskam
mergerichte zu Wetzlar befördert, wurde
dann Neichskammerrichter und darauf
als Präsident des N.'ichshofratheS nach
Wien berufen. In dieser Stellung er>
lebte der Graf die Auflösung der ehe<
maligen deutschen Reichsverfaffung und
wurde nun als Präsident an die Spitze
des in der Monarchie bestehenden ober»
ften Gerichtshofes berufen. Ueberdieß
wurde der Graf mit den Insignien des
goldenen Vließes ausgezeichnet, im Ver-
laufe feiner weiteren Dienstleistung zum
kais. kön. Staats« ur.d Conferenzminister
ernannt und ihm zuletzt auch die Würde
des Obersthofmarschalls verliehen. So
hatte denn der Graf nacheinander die
höchsten Würden in der Justizverwaltung
des deutschen Reiches sowohl als der
österreichischen Monarchie bekleidet. Als
Staatsmann das oberste Richteramt
ausübend, stand er seines allgemein
gekannten Gerechtigkeitssinnes bei Hoch
und Weder in höchster Achtung. „Huoä
likHUum et^ustum 68t" war sein Wahl-
spruch und sein ehemaliger Hausarzt,
Hofratb Schuttes hat im Nekrologe
eine interessante Charakteristik dieses
„Aristokraten von reinstem Wasser" ent»
worfen. Als die Ereignisse der Reuo.
lution ihn um einen großen Theil seiner
Einkünfte gebracht, war er Anfangs
genöthigt, Schulden zu machen, um nur einigermaßen seinem Stande entsprechend
leben zu können. Um in der Folge diese
Schulden zu bezahlen, versagte er sich
seine einzigen Erholungen: Spazierritte
und Musik. Als ihm der Arzt das Be-
dürfniß des Reitens zur Erhaltung seiner
Gesundheit vorstellte, erwiederte er: „ich
wollte wohl reiten, aber ich will nicht,
daß andere auf mir reiten". So wurden
denn Reit- und Kutschenpferde verkauft
und dann auch seine reiche Musikalien«
Sammlung, die auf mehr denn tO.WOst.
geschätzt wurde. „Als Präsident der
obersten Iustizstelle im Kaiserthum muß
ich, sagte er eines Tages, als man ihm
diese Strenge gegen sich selbst vorhielt,
doch meinen Parteien zeigen, wie sie ihre
Schulden zahlen und den Gerichtshof
vermeiden können". Er spielte Violine,
Violoncelle und das Clavier mit Virtuo»
sitat. „Wenn man uns Aristokraten
davonjagt, sagte er eines Tages, so
nehme ich meine Violine oder mein
Violoncell und die Sansculottes werden
am Ende doch tanzen müssen, wie ich
will." Dabei war er von einer Herzens«
gute ohne Gleichen beseelt. Sein Arzt
hatte das Recht, von der Casse des
Grafen für arme Kranke nach Belieben
Gebrauch zu machen. Als dieß einmal
durch längere Zeit nicht der Fall war,
rief er dem Arzte zu: „Du bist ein
schlechter Doctor, du bringst zu wenig
Leute um, sonst würdest du für Witwen
und Waisen kommen, wenn du für
Kranke nichts brauchst". Alle Schnur«
pfeiferien und Spitzfindigkeiten aug dem
Grunde seiner Seele verachtend, durch»
schaute sein feiner Verstand sehr bald die
Kunstgriffe der Rabulisten unter seinen
Rathen, aber sein strenges Nechtlichkeits-
gefühl ließ es nicht zu, daß. so lange er
an der Spitze deö obersten Gerichtshofes
stand, jene summa Hustitig, geübt wor-
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
O'Donnel-Perényi, Volume 21
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- O'Donnel-Perényi
- Volume
- 21
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1870
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 542
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon