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Paradies in Zachariä's Uebersetzung,
die Noachide und Klopftock's Messiade
bildeten — bis in die späteren Jahre —
nachhaltigen Andruck auf das GemĂĽth
Karolinen'S. Indessen wurde der
Unterricht in ernsten Gegenständen ohne
Unterbrechung mit Eifer und Sorgfalt
betrieben und neben der lateinischen
Sprache auch die französische, italienische
und später die englische in den Bereich
des Unterrichts gezogen. Als die Jahre
der Kindheit und ersten Jugend vorĂĽber
waren, kam nun jener Theil der Erzie-
hung an die Reihe, welcher die eigent«
liche Bestimmung des Weibes in sich
faĂźt, und so reifte Karol ine unter den
Augen der trefflichen Mutter zu einem
Wesen, deffen physische und geistige Eigen«
schaften das Bild vollkommener Harmo«
nie in ihrer Entwickelung darboten. Die
Mußestunden blieben der geistigen Fort«
bildung durch gewählte Lectüre, eigene
Versuche und Uebung in der Musik vor«
behalten. Mozar t , obschdn nicht ihr
Lehrer, schenkte ihr manche Stunde,
und dadurch, daĂź er oft im Elternhause
spielte, fehlte es ihr nicht an Gelegen»
heit, sich selbst im Spiele zu vervollkomm-
nen. Ihre Lieblingsbeschäftigung blieb
aber immer die Poesie, und zunächst ver«
suchte sie sich im Fache der Idylle in
Gesner's und Voßens Weise. Neben«
bei entstanden kleinere Lieder und Ueber«
sehungsversuche aus fremden Sprachen.
Bei ihrer Liebe zum Landaufenthalte und
fĂĽr die stillen, aber nachhaltigen GenĂĽsse
der Natur, richtete sie ihr Augenmerk
mit poetischem Vorbedacht auf die Herr«
liche Pflanzenwelt, nach deren Beziehun»
gen zur physischen und moralischen Welt
sie unwillkĂĽrlich zu forschen begann, und
so entstand ihr erstes selbstständiges Werk:
,Die Gleichnisse", das sie aber sorgfältig
im Pulte verschloß. ^Die bibliographi« schen Titel ihrer Schriften stehen in chro-
nologischer Folge auf S. 247^. Als in
den Jahren 4794 und 1792 ihr Bruder
einen Verein aus gleichaltrigen Iünglin«
gen gebildet, die es sich zur Aufgabe
stellten, kleine philosophische und politische
Aufsähe zu liefern und wechselseitig zu
beurtheilen, arbeitete auch Karo l ine
einen und den anderen Aufsatz, dessen
Stoff ihr nahe lag, ohne sich jedoch per«
sonlich an dem Vereine zu betheiligen.
So entwickelte sie allmälig und immer
tĂĽchtiger und erfolgreicher ihre Talente
und geistigen Fähigkeiten, und hörte in
dieser Selbstfortbildung auch dann nicht
auf. als sie im Mai 1796 im Alter von
27 Jahren die Gattin Andreas Pich-
ler'S, nachmaligen k. k. RegierungS«
rathes, wurde. AlS Karol ine zwei
Jahre später, 1798, ihren Vater durch
den Tod verlor, blieben sie und ihr
Bruder, der mittlerweile eine ihrer Iu«
gendfreundinen geheirathet hatte, bei der
Mutter, welche in einer Vorstadt Wiens
ein eigenes Haus mit einem freundlichen
Garten bewohnte, und bildeten zusammen
einen Haushalt. Ein neuer Lebensab«
schnitt begann fĂĽr Karo line nach ihrer
Heirath. Anderthalb Jahre nach der«
selben gebar sie eine Tochter, daS einzige
Kind einer einundvierzigjährigen glück«
lichen Ehe. I n die Schriftstellerwelt mit
einem selbstständigen Werke — denn biS»
her waren nur Kleinigkeiten in Almana-
chen erschienen — führte fie ihr eigener
Gatte ein, der unter ihren Papieren die
vorerwähnten „Gleichnisse" entdeckt und
daran solches Gefallen gefunden hatte,
daĂź er in sie drang, sie zu ĂĽberarbeiten
und dann herauszugeben. Karo line
erschrack förmlich vor dem Gedanken, sich
öffentlich in die Reihe der Schriftsteller
zu drangen. Endlich siegte doch die
Ueberredung ihres Gatten, und in der
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Pergen-Podhradszky, Volume 22
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Pergen-Podhradszky
- Volume
- 22
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1870
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 534
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon