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Polawsky
ab und widmete sich mit gleichem Erfolge
dem Charakterfache. Besonders hervor
lagend waren seine Leistungen als P e r'i n
in „Donna Diana", Antonio in
„Tasso", Narr in „Lear", Marinet l i
in „ Emilie Galotti". 1818. nach dem Tode
seines Freundes, des Directors Liebich,
wurde ihm die Direction des Präger
ständischen Theaters angetragen, welche
er auch bis 1820, wo sie Franz von
Holbein gänzlich übernahm, mit Li«
bich's Witwe leitete. 1821 ging er be
reits in's Väterfach über und die Erfolge,
die er als Micio in den „Brüdern" von
Terenz, Doctor Berg, Amtsrath
im „Hotel de Wiburg", und besonders
als Graf in den „beiden Klingsberg'
errang, zeigten von seiner außerordmt
lichen Befähigung auch für dieses Fach.
1824 übernahm er vereint mit Kainz
und Stcpanek abermals die Direction
des ständischen
Theaters in Prag, gastirte
1827 wieder in Wien, ohne aber mehr»
nialige Cngagementsanträge zu be>
rücksichtlgen. 1834, nachdem sein Di»
lections-Contract abgelaufen, übernahm
Stöger die Leitung des Theaters
und P. trat in die Reihe der M>t>
glieder zurück, sich nach wie vor mit
allem Eifer, fast biö zu seinem letzten
Augenblicke, der Kunst weihend. Am
9. December 1843 feierte er sein 4WH<
riges Jubelfest als Schauspieler. Allein
von da bis zu seinem letzten Auftreten
am 16. Jänner 1844 als Mumm in
„Sie schreibt an sich selbst« und als
Kälberstich in «Hoher Brücke und
tiefer Graben" waren nur mehr wenige
Tage. Nach nur 12täg!ger Krankheit
starb er im Alter von 68 Jahren. Seine
letzte Rolle, die er einstudirt, aber nicht
mehr gespielt hatte, war der Freiherr
von der^Schnure in Laube's Mo-
naldeschi". Als Künstler zeichnete
stch
P. durch seine große Feinheit und Eleganz
in Haltung und Bewegung, durch ein
weiches wohlklingendes Organ, richtige
und verständige Declamation, sehr gutes
Gedächtniß und einen Humor aus, der
bei aller ihm zu Gebote stehenden Wirk.
samkeit stets in den Schranken der Sitte
und des Anstandes blieb. Durch, sein
Rollenfach meist angewiesen, die drama.
tische Satyre zu repräsentiren. war er
gleichwohl nie atzend scharf, nie unange>
nehm kaustisch. Er malte getreu aus dem
Leben, aber nicht aus dem gemeinen Le>
ben. Wer ihn. um von Rollen zu sprechen,
die P. in letzterer Zeit lieferte, als M a l>
vol io, als Amtsrath Po l ler, Par>
lamentsrath im „Vicomte de Leto»
riöres" gesehen hat, wird die erwähnten
Vorzüge in diesem meisterhaften Darstel«
ler anerkennen. Vertraut, wie selten
Jemand, mit den, conventionellcn
Formen höherer Geselligkeit, bot er
ebenso häufig das Bild des geselligen
Weltmannes, in dem Rahmen gewin»
nender Herzlichkeit oder in dem des
Egoismus und der starren Etiquette,
wie die Situation eS nun ebm erforderte.
Insbesondere soll Hamlet, wie einer
seiner Beurtheiler schreibt, zu seinen ge>
lungensten Rollen geHort haben', vor»
nehmlich soll der von Bitterkeit übersät»
tigte Humor des Hamlet und jene düstere
Schwermuth, die wie ein dichter Nebel
die ganze Erscheinung einhüllt, nicht leicht
vollendeter als durch P. zur Anschauung
gebracht worden sein. Als Mensch war
Polawsky ein überaus achtungs»
werther Charakter, in seinem ganzen
Wesen einfach, in seinen Verhältnissen
geordnet und jedem excentrischen Genial»
thun fremd, gegen seine Collegen freund,
lich und-weit entfernt von allem Künst>
Neuer'Nekrolog der Deutschen (Weimar,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Podlaha-Prokesch, Volume 23
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Podlaha-Prokesch
- Volume
- 23
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon