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Prandftiitter 193 Prandstätter
über ganz Europa verzweigten Verschwö-
rung, welche ebenso den Sturz der da-
maligen Regierungen, wie überhaupt den
völligen Umsturz aller bisherigen bür»
gerlichen Verhältnisse beabsichtigte, und
deren Mitglieder überall heimlich thätig
seien und Genoffen für ihre unheilvollen
Absichten werben. Die grauenerregenden
Vorfälle in Frankreich bestärkten die
Wahrscheinlichkeit des bald heimlich bald
öffentlich auftretenden Gerüchtes, dazu
gesellten sich Thaten und Aeußerungen
Einzelner, die wie zu jeder Zeit als be>
schäftigungslose Freibeuter in der bürgerli»
chen Gesellschaft umherstreichend nichts als
Krawalle und Auflaufe herbeisehnen, um
dann recht im Trüben fischen zu können.
Von gewissenlosen Egoisten, welche aus
der allgemeinen Panique Nutzen bereits
zogen oder zu ziehen hofften, wurden die
Besorgnisse der Allgemeinheit genährt,
das Gespenst des IacobinismuS stand
jedem bald in seiner ganzen Scheußlich»
keit vor Augen und es begann die entsetz»
liche Periode der Iacobiner>R!echerei, in-
dem man in jedem hellsehenden, vorur»
theilslosen Manne, der überdieß so un>
klug war, diese seine Unbefangenheit durch
Worte und Thaten zu bekräftigen, einen
Iacobiner witterte, öflers geradezu mit
Bestimmtheit erkannte. Unsere Zeit hat
mitder „Demokraten-Riecherei" im Jahre
1,348 ein ähnliches und mitunter von
blutigen Folgen begleitetes Schauspiel
erlebt. Die damals bei Hofe einfiuß.
reichen Personen, die Zeitgeschichte
nannte die Grafen Col loredo, Per>
gen, Saurau und den Freiheirn von
Schloißni gg, 'von denen jede zur
Hebung ihres eigenen Einflusses, die
andere befehdete, benutzten diese gedrückte
Stimmung der Bevölkerung, um für sich
im Trüben zu fischen und mit einem
Male fand sich auch in Wien ein Iaco» binercomplot. Da man dasselbe nicht
als Gerücht wesenlos in der Luft schwe-
ben lassen, sondern ihm als wirklich be>
stehend, Blut, Fleisch und Bein geben
wollte, bemächtigte man sich einiger Per-
sonen, die gewiß unbedachte Aeußerungen,
freisinnige Reden und wohl gar straffällige
Handlungen, aber lange nicht solche ver>
übt hatten, welche die darauf folgende
Procedur nur einigermaßen rechtfertigen.
Der Beginn dieser traurigen Katastrophe
fällt in den Monat November 1794 und
währte dieselbe das Jahr 1798 hindurch,
ihre kleineren Nachwehm auch noch
weiter hinaus erstreckend. Zu den durch
die Strafe am empfindlichsten getroffenen
Personen gehörte eben Martin Joseph
Prandstätter und seine schwere Ver-
urtheilung erklärt sich um so leichter,
wenn man bedenkt, wer seine Richter
waren: der eine derselben war der
Magistratsrath Mar t i no l l i , Prand.
stätter's langjähriger Feind, ein un>
wissender indolenter Kriecher, der sich
selbst der Veruntreuung ihm anuertrauter
Gelder schuldig gemacht und der Cassa»
tion verfallen wäre, wenn ihn nicht
Saurau's mächtige Hand gerettet
hätte. Man vergleiche zur Würdigung
dieses Subjects Namens Mar t ino l l i
die Schrift: „Die Iacobiner in Wien"
(Zürch und Winterthur 1842, literar.
Comptoir. 8«.) S. 181—184 und 268
bis 269.^ Cine andere zur Untersu»
chungscommission gehörige Person war
Or land in i , Stabsauditor beim Hof»
kriegsrathe, von dem die oben wegen
M a r t i n o l l i angeführte Quelle
(S. 269) meldet, „daß er kein größeres
Vergnügen gekannt habe, als ein Todes-
urtheil auszusprechen!" Aus solchen Pei»
sonen bestand die Commission, welche
über die eingebrachten Iacobiner zu Ge»
richte saß und in
v.Wurzbach, biogi.Lefikon, XXIII. >Mdr. 8. Mai 1871.) welcher
13 der Graf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Podlaha-Prokesch, Volume 23
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Podlaha-Prokesch
- Volume
- 23
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 426
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon