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Pyrker 123 Pyrker
an den menschlichen Verhältnissen unserer
Anschauung so fern, sie ist so wenig in dem
allgemeinen Volksglauben begründet, daß ihr
aller Halt fehlt und wir uns z, B, das Mit.
wirken feenähnlicher Wesen, wie des Oberon,
weit eher vorstellen können, well das aus dem
Volke hervorgegangene Märchenhafte für uns
eine Art von Wirklichkeit gewonnen hat, was
bei jenen Gestalten und ihren Verhältnissen zum
Menschenleben nicht der Fall ist. Wenn aber
unsere Bemerkung richtig ist und wir glauben
kaum, daß ihr ein gewichtiger Grund entge>
gengestellt werden könnte, so wird das Ge>
dicht in seinem innersten Wesen erschüttert,
und zwar um so mehr, als die Einwirkung
der übersinnlichen Gestalten nur sehr locker
ist, so daß uiele Stellen d?r Art leicht weg>
fallen könnten, ohne dem Ganzen zu schaden,
Abgesehen dcwon, ist aber die „Tunisias" so>
wohl, was die sehr überlegte Anlage und
die ebenso geschickte Ausführung betrifft, eine
durchaus beachtenswerthc Erscheinung, Der
Dichter hat die strengste Einheit der Hand<
lung mit der größten Mannigfaltigkeit der
Entwicklung geschickt zu verbinden gewußt;
die Handlung ist, obgleich uon einzelnen
schönen Episoden durchflochren, stets im Fort-
schreiten begriffen, bis sie sich endlich auf
eine einfache und geschickte Weise löst- Was
die Sprache betrifft, so erkennt man den Gin»
fluß des Verskünstlers Voß nur zu sehr; die
dom Griechischen nachgeahmten Wortbildun-
gen und Satzformm geben dem Gedichte oft
ein fremdartiges Gepräge, ja zuweilen wird
die Darstellung sogar steif. Ist die „Tuni-
sias" auch schon deßhalb zu rühmen, weil
der Dichter nnen Stoff wählte, der, ohne
gerade national zu sein, doch mit der Ge-
schichte des Vaterlandes im nahen Zusam-
menhange und uns überhaupt nahe steht; so
verdient „Nudolph uon Habs bürg, Cin
Heldengedicht in 12 Gesängen" sMien l824)
noch größeres Lob, weil der Gegenstand un-
bedingt national ist und eine höchst wichtige
Epoche der deutschen Geschichte zur poetischen
Anschauung bringt; und Schade, daß sie.auch
in der Darstellung des Dichters nur als ein
Kampf persönlichen Ehrgeizes erscheint, den
Nudolph führte, um seine Hausmacht zu
vergrößern. Was Anlage uno Composition
des Gedichtes betrifft, so ist es der „T uni-
sias" in so weit überlegen, als die über-
irdischen Wesen, die er in der nämlichen Weise
einführt, wie in seinem ersten Epos, mit den
Begebenheiten in näherem Zusammenhange stehen,-es wird übrigens unsere oben änge,
deutete Ansicht über die Maschinen des Dich»
ters dadurch unterstützt, daß unter diesen der
Geist der alten Böhmenkonigin Drahomira
weitaus am anschaulichsten und poetisch wahr»
sten erscheint, weil ihr ganzes Wirken, ja
selbst ihre Erscheinung auf dem Volksglauben
beruht, der dem Dichter unbewußt mächtig
zu Hilfe kam. Nicht weniger Talent in Cr-
sindung, Anordnung und Entfaltung des
Stosses entwickelte Pyrker in den „Per>
len der heil igen Vorzeit" (Ofen 1821),
in welchen er einzelne epische Bilder aus dem
alten Testament vorführt. Einige dauon sind
wirklich sehr bedeutend, namentlich die „Mak»
kabäer", in denen er den schönen und frucht«
baren Stoff mit Liebe und Talent poetisch
entfaltet hat. Weniger gelungen sind seine
„Bilder aus dem Leben Jesu" (Leipzig
l8t2) und die „Legenden der Hei l igen"
(Wien l842),
III. I») Ju l ius Seidli tz in seinen „Die
Poesie und die Poeten in Oesterreich im
Jahre 1825" schreibt über Pyrker, nachdem
er seine Ansichten über das Epos entwickelt:
„Die rein epischen Partien in der „Tu ni-
sias", ich meine nämlich die Situationen,
die Handlungen der Personen, die Cntwicke»
lungen der Charaktere sind verfehlt. Mit der
Anwendung der Maschinerie ist der Dichter
uon drin Regen in die Traufe gekommen.
Denn statt, wie das antike Cpos, Götter ein»
zuführen, hat er die Geister von Heiligen
uno Helden eingeführt, und sich dadurch
noch tiefer in das Unnatürliche verstrickt.
Den» wir glauben eher an die Erscheinung
eines Gottes, als an i?ne Wahomeds. ^Man
.vergleiche oben das Urtheil von Heinrich
Kurz, das diese Ansicht viel präciser durch»
führt, als es hier Herr Seid l iß — reit«
Itzig Ie i t te leS — thut.^ Die beschreiben-
den Partien deS Gedichtes sind vortrefflich
und es kann sich in dieser Hinsicht dem groß»
ten Meisterwerke au die Seite stellen. Ich
mache nur auf die große Schilderung des
Sturmes aufmerksam. Unbedeutend ist sein
„Rudolph uon Habsuurg", ebenfalls ein epi-
sches Gedicht, für welches er vom Kaiser
den Orden der eisernen Krone erhielt. Seine
„Perlen der heiligen Vorzeit" können neoett
der „Tunisias" nicht bestehen."
I?, Pyrker's Stiftungen. Pyrke i 'S t i f tung.
Erzbischof Pyrker hat zu Karlsbad das
Haus Nr. üla zur unentgeltlichen Unterkunft
für curbedülftige mittellose Officiere der k. k.
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Prokop-Raschdorf, Volume 24
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Prokop-Raschdorf
- Volume
- 24
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1872
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 450
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon