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Nedlvitz-Schmöl^ 124 Nedunh-Schmölz
die Sympathien, deren er sich in den
hochtorystischen Kreisen der Kaiserstadt
erfreute, wohl bekannt waren, besuchte
im Sommer 1881 Wien und fand in
den genannten Kreisen die freundlichste,
ja glänzende Aufnahme. In einer länge»
ren Unterredung mit Minister Graf
Thun fand er Gelegenheit, seine An»
sichten über „christlich>germanischePoesie"
des Näheren zu entwickeln, und das
Ergebniß derselben war, daß ihm der
Graf eine Professur für deutsche Literatur,
geschichte antrug, für deren Annahme
sich R. sofort geneigt zeigte. Graf Thun
forderte nur noch den Dichter auf, den
Inhalt der oberwähnten Unterredung in
einem Memoire niederzuschreiben, um
auf Grund desselben seine weiteren
Schritte in dieser Angelegenheit vomeh°
nehmen zu können. Redwitz sendete
das verlangte Memoire am 17. August
1881 von Mainz an den Grafen Thun
nach Wien und die Wirkung derselben
war die Ernennung des Poeten zum
Professor an der Wiener Hochschule —
ein Ereigniß, welches in Wien in den
betheiligten Kreisen damals uiel besvro»
chen, in Deutschland aber mit Erstaunen
aufgenommen wurde. Etwa zwei Mo»
nate früher wurde das Gcfuch des
Schreibers dieser Zeilen um eine unent»
geltliche Privatdocentur der deutscheu
Literatur an der Wiener Hochschule, um
welche er sich persönlich beim Minister
Thun bewarb, ohne Bescheid aä aota
gelegt. Da der Inhalt der Unter»
redung deS Dichters Nedwitz mit dem
Grafen nicht bekannt ist, so gibt die
Denkschrift desselben einerseits Aufschlüsse,
wie Oöcar von Nedwitz sich die „ger»
manisch'christliche Richtung der Poesie
und ihre Wirkungen auf das Publicum
vorstellte, andererseits, welche Tendenzen
damals im Resoct des Unterrichts ve» folgt, richtiger gefördert wurden. Da
Giniges von diesem interessanten Acten»
stücke in die Oeffentlichkeit gekommen
und dieses für die österreichischen Ver»
hältnisse der Fünfziger»Iahre zu beleh»
rend ist, so mögen die wichtigsten Puncte
daraus hier folgen. Nachdem Red Witz
im Eingänge seiner Denkschrift eine
Skizze seines Bildungsganges gegeben,
kommt er zu seinem Vorhaben, sich der
Professur zu widmen, für die er sich in
Bonn vorbereitet hatte. „Diese Idee",
schreibt N., „bemächtigte sich meines
Geistes immer klarer, je klarer und ge»
waltiger die Schöpferkraft und hohe
heilige Misston eines christlichen Dich»
ters in mir sich offenbarte." Nach der
nun folgenden Entwickelung seiner An»
schaumigen von dem Lehramle der Lite»
ratur, worunter er ästhetische BeHand»
lung der alten und neuen Literatur,
Mythologie aller Völker, literargeschicht-
liche Vorlesungen und Aesthetik über»
Haupt versteht, gibt er zuvörderst als
obersten Sah seines ästhetischen Glau»
bensbekenntnisses: „Christus und seine
Lehre ist die ewige Wahrheit; die einzige
Wahrheit und n»r die echte Wahrheit
ist auch eine echte geistige Schönheit.
Nur in der Kirche eristirt die
echte Kunst. Jedes geistige Product,
daS außerhalb des Christenthums, d> h.
ihm feindlich geschaffen wird, ist Gift für
die Nation, verleitet langsam, aber
sicher zum Abfalle von der göttlichen
Autorität und höchst folgerichtig zum
sittlichen und geistigen Verfalle, zur Ver»
sinsterung der alltäglichsten Grundgesehe
des Staates und am Ende zur Revolu»
tion." Nach dieser Darlegung seines
Grundgedankens fährt er, nachdem er
denselben auch in der Literalurgeschichte
als vollkommen giltig bezeichnet, fort,
wie folgt: „Nicht nur in der Literatur,
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rasner-Rhederer, Volume 25
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rasner-Rhederer
- Volume
- 25
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1868
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon