Page - 150 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Rasner-Rhederer, Volume 25
Image of the Page - 150 -
Text of the Page - 150 -
Mich Neich
selbstständig zu wirken, theils, um unter
veränderten Verhältnifscn seinen Gesichts»
kreis zu erweitern, begab sich im Herbste
1833 nach Wien. Dort einsam in einer
ärmlichen Dachkammer sitzend, unter»
nahm er es, die. Natur und die Bewoh»
Ml seiner an Reizen und Eigenthümlich-
feiten mancher Art nicht armen Heimat
in einer Reihe von Novellen und Skizzen
zu schildern. Seine erste Novelle.- „Nur
ein Schreiber", fand in den damals von
Gutzkow redigirten „Unterhaltungen
am häuslichen Herd" Aufnahme; in
rascher Folge erschienen nun: „Das Haus
im Walde" und „Der K!nder>)andel" im
„Familienbuch des österreichischen Lloyd";
— „Der Jäger !m Gebirge" in der in
Gratz erscheinenden, von Cajetan Cerr i
redigirten„Ir!s" und zahlreiche Aufsätze,
Scenen, Bilder u. dgl. m. in verschiede»
nen Wiener Blättern. Aber so fleißig er
war, so viel Talent und echte Poesie
seine Arbeiten athmeten, sie brachten ihn
nicht vorwärts, sie verschafften ihm kaum
den notdürftigsten Unterhalt. Reich
war Poet, nicht Journalist, er blieb —
arm. Sein Freund Meißner, obgleich
örtlich von ihm getrennt, blieb doch im
steten Verkehre mit ihm. Bald erkennend,
daß Wien nicht der rechte Ort für den
kranken Poeten sei, suchte er ihn wieder
nach Prag zurückzubringen. Aber seine
Versuche blieben ohne Erfolg. Die Stelle
eines Erziehers in einer Israelitenfamilie,
denn Christliche nahmen Anstand, einem
Juden die Erziehung ihrer Kinder cmzu»
vertrauen, anzunehmen, dagegen sträubte
sich sein starkes Selbstständigkeit'sgefühl,
er blieb lieber frei und darbte, als er in
sorgenfreien Verhältnissen, jedoch abhän-
gig, leben wollte. Er wollte ausharren,
von seinem Fleiße und dem Entschlüsse,
sich selbst zu helfen, Alles erwartend. Im
Winter 1888 schrieb er die Tragödie „Saul". I n den Charakteren und in
der Anlage trotz überraschend schönen
Einzelnheiten unfertig — wie eö bei sei»
nem Alter kaum andcrö zu erwarten —
wanderte das Stück von einem Inten»
danten zum anderen und kehrte zuletzt
zum Autor zurück. Indessen verfiel bei
der Anstrengung unausgesetzter Arbeiten,
welcher seine schwächliche Natur ohnehin
nicht gewachsen war, und zu denen er
nicht selten die Nächte zu Hilfe nahm,
seine Gesundheit immer mehr. Aber er
hatte Mehreres druckfertig liegen und
für diese gesammelten Erzählungen und
Schildereien suchte sein Freund Meiß-
ner einen Verleger. Um Neujahr 1887
hatte er das Manuscript in Empfang
genommen und ungeachtet des gewichti»
gen FürworleS, welches der Dichter des
„Ziöka" dem Manuscripte zum Geleite
gab, ließ sich doch die Sache nicht so
rasch als es für Reich's Lage nöthig
war, abwickeln. Der Büchermarkt ist
mit dergleichen überschwemmt und trotz
der Fürsprache des beliebten Dichters
wollte doch kein Velleger die Erstlings-
arbeit eines noch Unbekannten bezahlen
und drucken, Indessen lebte R. selbst bei
brauen Leuten, die, seine Lage erkennend,
ihm alle Pflege angcdeihen ließen, ihn
wie eigenes Kind lieb gewonnen hatten
und, wenngleich selbst mittellos, die
Rechnung aufwachsen ließen, ohne ihn
um Bezahlung zu mahnen. Im Februar
1887 hatte seine Krankheit schon einen
bedeutenden Höhengrad erreicht, dabei
stockte sein Trwerb und in Folge dessen
und der daraus entsprungenen finanziel»
len Bedrangniß wurde er nur noch reiz»
barer und verscheuchte dadurch die wem»
gen Freunde, die ihn bi'S dahin besucht
hatten. I n dieser Zeit schrieb er an
seinen Freund Meißner einen Brief,
den dieser in der biographischen Skizze
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rasner-Rhederer, Volume 25
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rasner-Rhederer
- Volume
- 25
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1868
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon