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Neichftadt 182 Neichjiadt
gang. Kurz vor der Katastrophe befahl
der Kaiser, nachdem ihm Dubois seine
Bedenken geäußert.- „Behandeln Sie sie,
als war' eS eine Kaufmannsfrau aus
der Straße Saint'Denis; dnö ist daS
Einzige, warum ich sie bitte, vergessen
Sie, daß sie Kaiserin ist". — „Und
wenn Gefahr des Lebens eintritt", fragte
Dubois , „soll ich dann die Mutter
oder daS Kind retten?" — „die Mut»
ler!" erwiederte Napoleon lebhaft,
„daS ist ihr Vorrecht". Diese Antwort
gewann dem Kaiser die Sympathie der
Irnuen. Das Kind kam halbtodt zur
Welt, einige Secunden lang hielt man
eS wirklich für todt. Endlich gewann eS
Leben. Der Kaiser von Oesterreich schickte
den Fürsten Clary zur Beglückwüü«
schnng nack Paris und dieser legte dem
„Könige von Rom", denn diesen Titel
hatte der Kaiser Napoleon seinem
Erstgebornen verliehen, die Bänder aller
Orden Oesterreichs auf die Wieg?. Die
Taufe fand in Gegenwart aller Nischöfe
und der Deputirten aus allen Gegenden
Frankreichs Statt. Der Kaiser von
Oesterreich, Pathe des jungen Königs,
ließ sich von dem Erzherzog F erd in and,
seinem Brüder, damaligen Großhcrzog
von Würzburg, nachmaligen Großherzog
von Toscana, vertreten. Die erste Gr>'
ziehung des Prinzen wurde der Grafin
von Montesqu iou, einer durch Geist
und Nildung gleich ausgezeichneten Dame,
anvertraut. Napoleon hing mit großer
Liebe an seinem hoffnungsvollen Kinde.
Als ihm Mar ia Luise das von dem
berühmten Gerard gemalte Bildniß
des Sohnes in, das Lager an der
MoSkwa sandte, rief Na p o leo n . nach»
dem er das Bild lange mit Entzücken
betrachtet, zu seiner Umgebung.' „Meine
Herren, hätte mein Sohn auch nur fünf»
zehn Jahre, er würde nicht blos im Bilde in der Mitte so vieler Braver
sein '." Nach der Katastrophe des Jahres
1814, als die Armeen der Verbündeten
sich -bereits der Stadt Paris näherten,
verließ Mar ia Luise mit ihrem Sohne
die Tuillerien und begab sich zuerst nach-
BloiS, später nach Rambouillet. AIs
man den jungen König fortbringen wollte,
sträubte er sich heftig dagegen, schrie laut
und klammerte sich an die Draperien
deS Gemaches. Herr von Canisi, der
diensthabende Stallmeister, mußte der
Frau von Montesqu iou beistehen,
ihn in den bereitstehendeii Wagen zu
bringen. Nach der Thronentsagung des
Vatcrö reiste er mit der Mutter am
23. Apnl 1814 nach Wien und sollte
Frankreich nicht wieder sehen. Das Reise»
ziel des jungen Königs war Schöübrunn.
Durch den Vertrag von Fontainebleau.
11. April 1814, verlor der König von
Rom seinen Königstitel und wurde Eib»
prinz der drei Herzogthümer Parma.
Piacenza und Guastalla, welche nach
dem Tode seiner Mutter in seinen erb»
lichen Besitz kommen sollten. Nach der
zweiten, zu Gunsten seines Cohnes ge>
stellten Abdankung Napoleon's ward
der Sohn als Napoleon I I . von den
französischen Kammern zum Kaiser nuü»
gerufen, Die Verbündeten aber führten
den rechtmäßigen König Ludwig XVII I .
wieder auf seinen Thron. Indessen blieb
der junge Prinz unter der Aufsicht und
Leitung der Frau von Montesqu iou
in Schönbrunn, welcher noch die Madame
Sau f la t und ihre Tochter beigegeben
waren. Aus dieser Periode, welche übri»
gens von sehr kurzer Dauer war, erzählt
man sich eine merkwürdige Frage des
Prinzen. Als man ihm eines Tages den
Besuch des berühmten Feldmarschalls
Prinzen De Ligne ankündigte, fragte
der Prinz: „Ein Marschall ist dieser?"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rasner-Rhederer, Volume 25
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rasner-Rhederer
- Volume
- 25
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1868
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon