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Nichter, Anton 3 Nichter, Anton 3
Verein (wie er sich jetzt selbst nannte),
hatte R. längst unter seine bedeutendsten
Eapacitäten gezählt. Als nun nach den
Vereinsstatuten, sowohl eigene Repräsen«
tation der industriellen Beschäftigungen,
als auch besondere Ausschüsse für indu«
strielle Aufklärung creirt werden sollten,
konnte Richter, wenngleich durch sein
— eine Welt im Kleinen bildendes —
Geschäft über die Gebühr in Anspruch
genommen, keineswegs übergangen wer»
den. I n solcher Eigenschaft sind von ihm
in den Jahren 1843 und 1844 mehrere
Gelegenheitsvorträge gehalten und ver«
schiedene schriftliche Gutachten an die
General > Direction abgegeben worden,
die man einmüthig als eine wahre Fund'
grübe von praktischen Ansichten, Ersah,
rungen und Neformvorschlägen. bezeich-
nete. I n der IahreS-Versammlung des
Gewerbevereines, welche am 16. Mai
1844 stattgefunden hat. war Richter
nicht anwesend, bekam jedoch bei der
Wahl des VerwaltungsratheS 41 Stim«
wen und hatte folglich die Majorität.
Allein er war zur Annahme dieses AmteS
nicht zu bewegen; nachdem er diesen
Wirkungskreis nur provisorisch bis zur
ersten Monats-Versammlung übernom»
men, erklärte er, daß dieß Geschäft nur
von einem Gelehrten und Professor zweck«
mäßig besorgt werden könne, dagegen
er lieber dem Gewerbevereine in einer
anderen Sphäre nützlich wäre. Und somit
wurde dießfalls eine neue Wahl eingeleitet.
Am 23. Juli desselben Jahres fungirte
Richter mit 32 Stimmen zum Reprä«
sentanten des Fabrikswesens erwählt, als
Vorsitzender bei der Commission über die
Arbeiterfrage. Die Angelegenheiten des
Gewerbevereines beschäftigten jedoch R.
nicht allein; er war auch Mitglied der
k. k. patriotisch'ökonomischen Gesellschaft
in Böhmen und deS Vereines der Kunst» freunde daselbst, deren Zwecke er eben»
falls durch geistige und materielle Mittel
rühmlich zu fördern suchte. Die soeben
berührte „Arbeiterfrage" war damals
besonders im Böhmerlande an der Ta>
gesordnung. Die mehrjährige schlechte
Kartoffelernte, der Nothstand im Erz-
und Riesengebirge, die Stockung deS
FabrikswesenS hatte allenthalben Maß»
nahmen gegen die um sich greifenden
Arbeiterbewegungen nöthig gemacht. Die
große Thaufiuth vom 29. März 1843
vermehrte noch den Pauperismus. Und
durch dieses letztere Elementarereigniß,
welches besonders die Niederungen am
Zusammenflüsse der Beraun und Moldau
heimsuchte, kam auch Richter in große
Gesahr. Königsaal und Groß» und Klein«
Lahowitz, endlich Lippan. haben mehr
oder weniger gelitten. und das ganze
Jahr noch fühlte Richter die Nach.
wehen davon. I n seinen beiden letzten
Lebensjahren war Richter mit beson»
derer Vorliebe in die Schriften und
s^sogenannte „internationale System"
Friedrich List'S eingedrungen. Er hatte
sich zu solchen Studien durch eine gründ»
liche staats« und finanz«wiffenschaftliche
Lectüre vor vielen Anderen befähigt, und
seine Freunde erzählen, wie tief R. der
tragische Tod jenes großen National«
Oekonomen auf seinem letzten Kranken»
lager erschüttert habe. Der mehr univer-
selle und literarische Geist, welcher in
neuerer Zeit den böhmischen Gewerbe«
verein auszeichnet, ist größtentheilS eine
Frucht der Anregungen Richter'ö, der
da immerwahrend auf mündlichen und
höheren Unterricht in den verschiedenen
Zweigen der technischen Wissenschaft
drang. Dem (im Jahre 1844) im
Schooße des Gewerbevereins auögebro«
brochenen und heutzutage auf die Spitze
getriebenen Nationalitätsstreite blieb R.
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rhedey-Rosenauer, Volume 26
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rhedey-Rosenauer
- Volume
- 26
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 436
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon