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Nichter) Franz 14 Nichter, Franz 14
Kastner fallirre, wurde ganzlich ruinirt
und drohte auch das junge Unternehmen
augenscheinlich unter seinen Trümmern
zu begraben. Richter, trotzdem er von
seinen speciellen Berufsarbeiten in hohem
Grade in Anspruch genommen war, stellte
sich der seine eigene Existenz bedrohenden
Gefahr mit mannhaftem Muthe entgegen
und behauptete seine mühevoll errungene
Stellung mit ebenso viel Tact als Be«
harrlichkeit. Durch daS persönliche Ver»
trauen, das er einflößte, durch seine Bie-
derkeit und Festigkeit in der Regelung
der eingegangenen Verpflichtungen, gelang
es ihm, die Firma „Kastner und Richter"
ehrenvoll zu behaupten, ihre Verbind»
lichkeiten zu erfüllen und bald daS Unter»
nehmen nach glücklichem Durchkämpfen
der schwierigen Verhältnisse auf solide
finanzielle Grundlagen zu stellen. Schon
vordem hatte sich die Qualität des in
Ieibitschgrund erzeugten Productes einen
besonderen Ruf erworben; dem rastlosen
Streben Richter'S gelang eS, weitere
Fortschritte darin zu erreichen. Ein wei>
terer Unglücksfall, der ihn traf, aber
seinen Muth auch nicht erschütterte, war
der Brand der Fabrik in Leibitschgrund.
Im 1.1843 übersiedelte er nach Smichow
bei Prag und baute hier in diesem Jahre
eine großartige Baumwollspinnerei, welche
zu den vorzüglichsten Etablissements die»
ser rasch aufblühenden, der Industrie
durch ihre Lage höchst günstigen Prager
Vorstadt gehört. Die Fabrik in Leibitsch-
gründ im Egerer Kreise war, wie erwähnt,
am 18. September 1843 mit 12.000
Spindeln und mit Maschinen, die eben
neu errichtet waren, abgebrannt, aber sie
wurde wieder eingerichtet; mechanische
Webestühle und eine neue Dampfmaschine
von 60 Pferdekraft wurden daselbst auf-
gestellt. So weit R.'S Thätigkeit als
Fabriksherr. Als öffentlicher Charakter war^Richter in der industriellen Welt
längst mit Ehren genannt, wurde dem
größeren Publicum nach dem Jahre 1848
und in jenen Tagen bekannt, wo man
sich in Böhmen den materiellen Interef«
sen zuzuwenden und zur Hebung dersel«
ben die größten Anstrengungen zu macken
begann. Ja er hatte vorzugsweise die
öffentliche Aufmerksamkeit nach dieser
Richtung hin zu leiten verstanden. Er
wirkte heilsam im böhmischen Gewerbe-
vereine, er sprach und schrieb mit Begei»
sterung für die Rechte der einheimischen,
für denSchutz der vaterländischen Arbeit,
er war dafür mit Aufopferung, mit den
Waffen eines tiefgebildeten, sckarfsinni»
gen Nationalökonomen in der Gewerbe«
und Handelskammer thätig, zu welcher
Function er sogleich nach deren Grün-
dung im Jahre 1850. erwählt wurde,
sowie beim Zollcongresse im Jahre 1831
in Wien und bei allen Gelegenheiten,
bei welchen die Industrie Rath und That
brauchte, und die rasch nach einander
kamen. Die Baumwollen-Fabriksbefitzer
Böhmens haben seine Verdienste in einer
Adresse anerkannt. Aus derselben heben
wir die folgenden bezeichnenden Stellen
hervor: „Ihre Denkschrift über den
Anschluß Oesterreichs an den deutschen
Zollverein war die erste Fackel, welche in
dem Labyrinthe verworrener Ansichten
3icht und Klarheit verbreitete! Einen
neuerlichen Beweis Ihrer Begeisterung
und aufopfernden Thätigkeit für die ein«
heimische Arbeit gaben Sie durch Ihre
Wirksamkeit am Zollcongresse in Wien.
Die Baumwoll-Industrie, die Sie selbst
zu ihren geachtetsten Trägern zählt, war
durch die projectirtenZollsätze am meisten
bedroht. Ihren Anstrengungen ist eS
vorzugsweise zuzuschreiben, daß sie nun
einen Schutz erhält, der hoffentlich ihr
Fortbestehen ermöglicht, und sie noch
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rhedey-Rosenauer, Volume 26
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rhedey-Rosenauer
- Volume
- 26
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 436
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon