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Nojsi-Sontag 70 Mffi-Sontllg
gerichtes absitzen mußte. Er gab damals
die Zeitschrift: „Der Horizont" heraus
und setzte seine Leser von dem Antritte
seiner Gefangnißstrafe mit den Worten
in Kenntniß: „Ich bin jetzt ein Sechs»
wöchner wegen ungeheurer Ironie". Hen-
riette feierte in Paris immer neue
Triumphe. Im Jahre 1828 unternahm
sie eine Reise nach London, wo sie drei
Monate ihres Urlaubs verlebte und mit
einer reichen Ernte an Ruhm und Geld
zurückkehrte. Wahrend der drei Jahre
ihres Aufenthaltes in Paris stand H en»
riette auf dem Gipfel des Ruhmes und
des Glückes, insofern, wie einer ihrer
Biographen richtig bemerkt, „eine aus»
gezeichnete Stellung in der Gesellschaft
und genügender Reichthum, um sie mit
Glanz zu behaupten, daS Glück aus-
machen". Aber auch in jeder anderen
Hinsicht war ihr ein schönes, ein wahr-
haft glückliches Loos geworden: in der
vollen Blüthe der Jugend und der Ge«
sundheit, im Bewußtsein der Weihe der
Kunst, die ihr vom Himmel geworden,
bewundert von der W^'lt und geliebt von
denen, die ihr näher standen, wußte sie
nock kaum, was Schmerz war. Da traf
die Liebe ihr Herz und mit dem wahren
Glücke des Lebens lernte sie auch den
Schmerz und — die Menschen kennen.
Denn, was regt alle niedrigen Leiden-
schaften. Eifersucht. Neid. Klatschsucht.
Verlaumdung, boshafteFreude am Scan-
dal mehr auf, als die Kunde von der
Hingebung eines Weibes. namentlich
einer Künstlerin, an einen geliebten
Mann? Und doch war das Verhältniß
hier durch alle Bedingungen, welche
Gesetz und Sitte verlangen, geheiligt.
Hen riette hatte sich nämlick dem Gra»
fen Rossi, damals Legationssecretär
bei der sardinische^n Gesandtschaft in
Paris, vermalt, allein die Verbindung mußte wegen der Familienverhältnifse
und der Zukunft des jungen Grafen
geheim gehalten werden. Dieß geschah
nur so lange, als die Sängerin fortwah»
rend auf der Bühne erschien; sobald sie
sich aber genöthigt sah, sich auf eine Zeit
lang zurückzuziehen, verbreitete das-
Gerücht die halbe Wahrheit und der
lange gefesselte Neid brach nun mit desto
boshafterer Schadenfreude hervor. Frei.
lich wurde die Vermälung jetzt auch unter
der Hand bekannt, jedoch erlaubten die
Verhältnisse immer noch nicht,
sie öffentlich
zu erklären und dadurcb diejenigen Blätter
Lügen zu strafen, welche — wie ja dieß
auch heut zu Tage der Fall — mit
schamloser Bereitwilligkeit ihre Spalten
den gehässigsten Einflüsterungen geöffnet
hatten. Bei dieser Gelegenheit bewies
sich auch der König von Preußen als
Fürst von Gottes Gnaden, er, der für
die Künstlerin immer eine wahrhaft
väterliche Zuneigung gehabt haltte, ver«
lieh ihr, nachdem er unter der Hand von
dieser heimlichen Ehe unterrichtet worden
war, aus freiem Antriebe den Adel und
den Namen von Lauen stein. Endlich
beschloß die Künstlerin, die Bühne zu
verlassen. Nach einer letzten großen Kunst«
reise beabsichtigte sie sogar, sich ganz aus
der Gesellschaft zurückzuziehen. Diese
Reise trat sio im Jahre 1830 an und
erschien überall, wo sie hinkam, „äußer-
lich in fürstlichem Glänze und sang nur
in Concerten. Nur für Berlin, für die
Stadt, welcbe ihr Glück begründet hatte,
machte sie noch eine Ausnahme. Sie trat
dort noch in einer Reihe von Gastrollen
auf. Zum letzten Male erschien sie am
19. Mai 1830 als Semiramis auf
der Bühne und das Publicum nahm von
ihr in wahrhaft ergreifender Weise Ab-
schied, es war, sagt ihr Biograph, „als
wenn eine Fürstin vom Throne stiege
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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rosenberg-Rzikkowsky, Volume 27
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rosenberg-Rzikkowsky
- Volume
- 27
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 386
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon