Page - 134 - in Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Rosenberg-Rzikkowsky, Volume 27
Image of the Page - 134 -
Text of the Page - 134 -
Nothschild) Maier Ans. 134 Rothschild) Maier Ans.
aern Almosen ausgetheilt; er war deßhalb
beim Ausgehen gewöhnlich von Leuten um-
geben, die' seine Mildthätigkeit in Anspruch
nahmen. Nicht selten pflegte er auf eine ganz
besondere Weise Almosen zu spenden. Da
er nämlich den unter Juden nicht seltenen
Glauben hatte, daß Gott diejenigen Wohl-
thäter am meisten belohne, für welche ihr
Spender keinen Dank empfanden habe. so
ging er mitunter im Abenddunkel durch die
Iudenaasse, drückte jedem ärmlich Aussehen»
den. der ihm begegnete, einige Geldstücke in
die Hand und eilte dann schnell davon. In
seinem Testamente hatte er die Armen auch
reichlich bedacht. Daß es nicht an Stimmen
fehlte, welche den Biedermann verlästerten,
braucht nickt versickert zu werden. Der von
Rickard Zeune herausgegebene ^^at^o-
8uo XI I . ä'uue deUo eolieotion äs Ietti'65 I
n,rltoFr2,i>de5" (Berlin 1867) bringt unter
Nummer 238 den Auszug aus einem Briefe
vom Jahre 1804, den Waier Anselm an
einen hessischen Minister geschrieben haben
soll, der in Allem, in Ton und Haltung, ein
geschickt nachgemachtes Halsum sein dürfte,
um den Charakter R-o thschil d's, der ja
auch seine Feinde und Verfolger hatte, her-
abzusehen. Bezeichnender und im Hinblicke
auf den glaubwürdigen Erzähler wichtig ist
eine Schilderung, welche Börne vori dem
alten Rothschild, den er noch persönlich
gekannt, gibt. „Der altc Rothschild, der
Stammvater der Familie Noihschild, war
ein braver Mann, die Frömmigkeit und Gut
Herzigkeit selbst. C's war ein mildthätiges Ge-
sicht mit einem spitzigen Bärlchen. auf dem
Kopfe ein dreieckig gehörnter Hut und die
Kleidung mehr als bescheiden, fast ärmlich.
So ging er in Frankfurt derum, und bestän«
dig umgab ihn wie ein Hofstaat ein Haufen
armer Leute, denen er Almosen ertheilte oder
mit gutem Nathe zusprach. Wenn man auf
der Straße eine Reihe uon Bettlern antraf
mit getrösteten oder vergnügten Mienen, so
wußte man, daß hier eben der alte Roth.
schild seinen Durchzug gehalten. Als ich
noch ein kleines Bübchen war und eines
Freitags Abends mit meinem Vater durch
die Iudengasse ging, begegneten wir dem
alten Nothschild, welcher eben auö der
Synagoge kam; ich erinnere mich, daß er.
nachdem er mit meinem Vater gesprochen,
auch mir einige liebreiche Worte sägte, und
daß er endlich die Hand auf meinen Kopf
legte, um mich zu segnen. Ich bin fest über« ! zeugt, diesem Roth sch ild'schen Segen ver» .
dank' ich es. obgleich ich ein deutscher Schrift«
steller wurde, daß niemals das baare Geld
in meiner Tasche ganz ausging," So Börne
über Maier Anselm. Als sich Rothschil d
zum Sterben niederlegte, versammelte er seine
Söhne Anselm, Sa lomon, Nathan,
Kar l und Jacob um sich, gab ihnen den
Segen und erzählte ihnen die persische Fabel
von dem Bündel Pfeile, von denen jeder
einzelne zerbrechlich, alle zusammen eine feste
Masse bilden. Dieses Sinnbild mir den Pfei»
len haben die Söhne auch spater in ihr
Wappen aufgenommen. Dann forderte er
ihnen das Versprechen ab, daß sie nie von
ihrem Glauben ablassen, nie sich entzweien
und nie etwas unternehmen wülden, obne
vorher die Mutter, so lange sie lebte, um
Rath gefragt zu haben. Und sie hielten Wort.
Der älteste, in Frankfurt a. M. lebende Sohn
Waier Anselm besuchte täglich seine alte
Mutter, die den Vater um 37 Jahre über«
lebte, und erwies ihr, wie auch seine Brüder,
jene Ehrfurcht in ihren späten Tagen, wie
damals, da er noch ein Kind war. — Die alte
Gudula oder, wie sie im Volksmunoe hieß,
Gutle Schnapper, war aber auch eine
Frau von seltenen Geistesgaben. Seit l770
Maier Anselm's Gattin, hatte sie dcis
seltene Glück, aus den bescheidensten Anfän-
gen ihres Gatten die von ihren fünf Sühnen
gebildete Pentürchie des Reichthums in den
fünf Hauptstädten Europa's, in Wien, Paris,
London. Neapel und Frankfurt a. M,, sich
erheben zu sehen. Nnd doch war die alte
Gudula, die Mutter der Allewelt Finanziers,
nicht zu bewegen, das auffallend schlechte
und enge Haus in der Iudengasse Frankfurts,
das sie zehn Jahre nach ihrer Heirath mit
Maier Amsel im Jahre 1780 bezogen
hatte, zu verlassen. Mit einer bcwunoerungs-
uollen Pietät hielt sie an dieser Behausung.
„In dieser Hütte, meinte sie, „habe Sie ihre
Kinder reich werden sehen, und Sie glaube,
der Himmel konnte sich von ihrer Nachkow'
menschaft abwenden, wenn sie aus irdischem
Stolze eine Wohnung verließe, in welcher
,sie alle Kinder zur Welt und zu großem
Glücke gebracht." „Sie ist, wie Guhkow
über sie schrieb, da sie noch lebte, der Genius,
der über ihre Kindcr Wache hält, ein fast
unsichtbarer Genius, denn sie wohnt immer
in der Frankfurter Iudrngasse. Sie kann sich
nicht trennen, die alte Frau, von dem Elende
ihres Volkes und freut sich, in dem schmutzi-
back to the
book Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich - Rosenberg-Rzikkowsky, Volume 27"
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Rosenberg-Rzikkowsky, Volume 27
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Rosenberg-Rzikkowsky
- Volume
- 27
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 386
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon