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Sachsen-Ceschen Sachlen-Teschen
Dieser und noch mehrere andere Zwischen-
fälle, mit deren actenmaßiger Darstellung
Vivenot interessante Illustrationen zur!
Frage bringt, was deun Preußen in
jener Zeit Alles für das deutsche Reich
geleistet habe, gingen Wochen und
Monate vorüber; ungeachtet eines am
2l. August in Regensburg eingelangten
kais. Hofdecretes ääo. Wien 43. August,
wonach das Vaterland in Gefahr erklärt
wurde, schleppten sich die Dinge dahin,
ohne daß etwas geschah. Die kleinen
Erfolge der deutschen Waffen, nanient«
lich der Sieg bei Kaiserslautern (20. Sep.
tcmber 1794), wollten nicht viel bedeu-
ten, und das zweideutige Verhalten des
preußischen Generals Mol len dorf ,
der mit einem Male von einer Unmög»
lichkeit, den Krieg mit sü^ces zu führen,
zu sprechen begann, lahmte jedes ener-
gische Auftreten des Herzogs Albrecht.
Das einzige, was der Herzog thun konnte,
war die von den Preußen im Zustande
vollster Verwahrlosung zurückgelassene
Festung Mainz in kürzester Zeit in ent>
sprechendenVertheidigungsstand zu setzen.
Hingegen fielen gegen das Ende des
Jahres noch zwei wichtige Punct,: auf
dem linken Rheinufer in feindliche Macht,
am 2. November die Festung Rheinfels,
am 24. December die Rheinschanze bei
Mannheim. Die Erfahrungen, welche
der Herzog in dieser Kriegführung mit
Contingenten der deutschen Lander, na-
mentlich mit jenem Preußens, gegen eine
einheitliche Armee, wie jene der Franzo-
sen, gemacht, verdrossen diesen so sehr,
daß er, als er sich zu Beginn des Win-
ters nach Wien verfügte, dort s^n Com»
mando niederlegte, um nie wieder eines
im Felde zu übernehmen. V i v e n o t
schleudert die moralische Verantwortung
für alles Ungemach, was damals Deutsch-
land traf, in erster Linie auf Preußen, und zwar nicht auf den König Fried«
rich Wi lhe lm II . , der an'der damali.
gen Politik seines Staates einen verhält«
nißmaßig sehr geringen Antheil hatte,
sondern, wie selbst Syb e l, der in Schön«
färberei des Preußenthums kaum seines
Gleichen hat. eingesteht, auf des Königs
gewissenlose, mtriguante Rathgeber, die
für patriotische Regungen kein Herz hat»
ten und theilweise als Nichtdeutscke kaum
haben konnten. Lucchesi ni und Lom-
bard , zwei der Hauptmacher der damali-
gen preußischen Politik, der eine ein Ita«
liener, der andere ein Franzose, hintergin»
gen und mißbrauchten den König in seinem
vielleicht all^u leicht sich hingebenden Ver«
trauen. Kein Mittel war zu schlecht, um
den König über den wahren Sachverhalt
der Dinge zu tauschen. War endlich dieß
nicht mehr möglich, dann stellte man sie
ihm in solchem Lichte dar, daß alles
Odium auf den bösen Willen Oesterreichs
und anderer deutschen Reichsfürften siel.
welche die patriotischen Plane und Ent-
würfe Preußens nicht hatten )ur Per-
fection kommen lassen. Dabei bediente
sich Preußen, wie heutzutage, schon da»
malS der Presse, um die öffentliche Mei»
nung zu bearbeiten. Der Herzog Al-
brecht gibt in seiner anläßlich dieses
Krieges verfaßten Denkschrift die inter-
essantesten Aufschlüsse. „Ich kann", lau-
tet eine Stelle derselben, „Euerer Maje-
stät aus treuer Anhänglichkeit nicht unbe-
merkt lassen, daß das königlich preußische
Interesse bei dem unwissenden Publico
immer Recht behalten und dessen unrecht-
mäßige Handlungen mit der frechsten
Bosheit in das schönste Licht gesetzt wer«
den, weil die königlich preußischen Mini-
sters, Residenten und Agenten, deren
Zahl namhaft und aller Orten verbrei-
tet, deren Köpfe gut organisirt, deren
Vortrag geschickt, deren Beredsamkeit
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Volume 28
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Saal-Sawiczewski
- Volume
- 28
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 414
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon