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Salieri 102 Salieri
kleinem als großem Wüchse, weder fett
noch mager, hatte bräunliche Gesichts«
färbe, lebhafte Augen, schwarzes Haar,
war von cholerischem Temperamente,
leicht aufbrausend, aber ebenso rasch volle
Besonnenheit wieder gewinnend. Ord>
nungsliebend und nett in seiner äußeren
Erscheinung, kleidete er sich immer, wie
eS eben Sitte war, aber auch stets in
einer seinen Jahren angemessenen Weise.
Lecture, Musik und einsame Spazier«
gange, auf denen er seine musikalischen
Ideen ausarbeitete, waren seine liebste
Unterhaltung. Bekannt istes von ihm. daß
?r drei Lieblingsbäume hatte, unter deren
Schatten er besonders zu verweilen liebte
und unter denen wohl manche feiner
lieblichsten Melodien entstanden sein
mochten. Einer dieser Bäume befand sich
im Prater auf einem Donauarme und
gewährte von seinem, mitten unter reicher
Vegetation befindlichen Standpuncte eine
herrliche Aussicht auf den Leopolds» und
Kahlenberg; der zweite, im Augarten
stehende, ringSum von Gebüsch umge«
bene, barg den unter ihm
siehenden
Kunst»
ler vor Aller Augen, wahrend er ihm
die Aussicht nach allen Baumgängen deS
schönen ParkeS gestattete; der dritte, in
der Brigittenau, gewährte ein imposantes
Bild mit seiner Aussicht über Wald,
Flur und den Donaufiuß auf das impo«
süti'te Wien und seine Vorstädte. Unter
diesen drei Bäumen verlebte S., wie er
es selbst gesteht, viele glückliche Stunden,
und es war kein geringer Schmerz, den
der tief empfindende Künstler und Freund
der Natur zu erdulden hatte, als der
schreckliche Orkan, der am 1. October
1307 in und um Wien so gräßliche Ver.
Wüstungen angerichtet, auch seine drei
Bäume im vollen Sinne des Wortes
vernichtet hatte; die ersten zwei hatte
der Sturm entwurzelt, den dritten bis auf Mannshöhe entzwei gespalten. I n
seiner Lebensweise war S. sehr mäßig,
er trank nur Waffer, Back- und Zucker,
werk liebte er sehr. Im Umgänge war er
ebenso fein als liebenswürdig, selbst eines
sehr dankbaren Gemüthes, war ihm
Undank das verhaßteste Laster; wohl«
thatig, spendete er gerne, so weit eS seine
Verhältnisse ihm gestatteten. Sein liebstes
Gesprächsthema war die Kunst und vor«
nehmlich seine Kunst, über welche er
unerschöpflich war. Müßiggang war ihm
verhaßt, Unglaube ein Greuel. Wenn
er im Unrechte war und es erkannte,
gestand er es auch ein, und selbst wenn
er im Rechte war und der Streit nur
nicht seine, sondern eines Dritten Ehre
betraf, behielt er manchmal freiwillig
den Schein des Unrechtes aus Liebe zum
Frieden. Vor Unglück und Leiden hatte
er Furcht, ertrug eS aber, wenn eS ihn
traf, mit Fassung und fand in der Reli«
gion seine Zuflucht. Bescheidenes Lob
machte ihm Vergnügen, übertriebenes
quälte ihn. Er war ungemein empfind«
sam und gab sich leicht dem Eindrucke
einer wehmüthigen Stimmung hin, die
wohl zunächst in seinem vorzugsweise
poetisch organisirten Gemüthe wurzeln
mochte; so geschah eg auch. daß ihn nicht
selten Todesg'edanken beschlichen, obgleich
er daS hohe Alter von 73 Jahren er-
reichte. Sonst war er im Verkehre mun»
ter und lebhaft; seine Gefälligkeit, seine
frohe Laune, sein heiterer, nie beleidigen»
der Witz mackten ihn zum angenehmsten
Gesellschafter. Im Kreise seiner Familie,
wie im Tempel der Natur fand er sich
am behaglichsten, und Mosel entwirft
nach Sal ier i 'S eigenen Aufzeichnungen
ein rührendes Bild seines anmuthenden
häuslichen Stilllebens. Von seinen Kin-
dern, ein Sohn und sieben Töchter, wie
dieß schon erwähnt worden, gingen ihm
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Volume 28
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Saal-Sawiczewski
- Volume
- 28
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 414
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon