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Saphir 228 Saphir
standen ftin, und er hat im Scherze der Ety.
mologie mitunter Allerliebstes geleistet; ließe
sich nur das weite Ackerfeld unübersehbarer
Gclegenheitsspielerci auf eine kürzere Ueber,
ficht zusammen drängen. Sonst ist es nur
dem gefälligsten Iournalpudlkum zuzunnl«
ihen. daß diese Dn'scharbeit vollen und leeren
Strohes, dieß unsichere Sieden der Spreu,
was nicht odne Zeitverlust und lästigen Staub
abgehm kann. gefällig angesehen werde. Die
Art selbst, Erscheinung und Gedanken in die
That eines Artikels zu dichten — denn eine
größere Folmabsicht kommt nicht zu Tage —
schließt sich im Senlimentalitäts<Gange be<
sonders an Jean Pau l . und da gibt dl,'nn
die Verzweiflung am Nahen und Passenden,
dle Versenkung in's Erdenkliche neben der
quälerischen Willkürlichkeit auch manchen klci«
nen Pcrlenfund. Im Ganzen war diese ab-
stracte Wortkonnk. war dieser haltlose Ver<
such in'S Blaue hinein aus bloßer, oft ge<
waltsamcr Stimmung und niit bloßer Hilfe
cer Lylbengeschicklichkeit. das Komische zu
finden, im Ganzen war er resultatlos, und
cS ist ein Unglück für die österreichische Iour.
nalistik, daß sie sich dieser hohlen Manier
anschließt, seit der gewandte Saphi r in
Wien tie Buden seiner komischen Quacksal.
brr.Literatnr aufgeschlagen hat. Manier ist
die Mutter, Manierirtheit und Caricatur ist
das Kind einer Schriftstellern, die keinen
andern Boden hat, als den der Beliebigkeit.
Der bessere Weg zu komischem Gewinne ist
der des Anhaltes an Landes- und Volkseigcii'
thümlichkeit, wie ihn Glas brenner. der
Erfinder des Eckenstehcrpacks und der Volks»
scenen. in Berlin eingeschlagen hat, mit der
offenen P<rspective, in die höher komische
Welt von solchem festen Grunde aufzusteigen.
Oesterreich, dich hingebende Land der Heiter«
seit, böte dazu mit sciner Naivetät ein auf»
gepflügtes Feld, wie Vulenspiegel ein solches
Feld des Volköivitzcs in Norodeutschlmio auf»
pflügte. Einzelne Spuren in Saphir 's neue»
ren Artikeln gcbrn Hoffnung, daß er sich von
sich selbst befreien und einer Welt mit Harm«
losem W»rte hingeben könne, die in ihren
Verhältnissen viel nachdenklichere Komik uor>
bereitet hat. als jemals aus bloßrm Schatten
des Lebens, aus Buchstabe und Wort werden
mag. Darin allein findet sich auch eine Er-
lösung vom Unstyle dieser forcirten Komik,
welche Jean Paul 's unmusikalische Strek»
tung und Kürzung der Sätze unmusikalisch
nachgeahmt hat, statt die Rundung zu suchen, in welcher die Grazie des Klanges schweben
muß." — Nudolph Gottschall charakteri«
sirt Saphir 's Muse. wie folgt: „Moriz
Saphi r ai:s Pcsth, der längere Zeit die
pikante Luft VerlinS geathmet, ist der incar«
nirte Wortwitz; das ist seine Bedeutung in
der Literatur. Indem der Wortwitz ,nit> den
Worten spielt, spielt er auch mit ihrem In .
halt?. Er klmn gemüthlich sein. bürgerlich,
familiär. ES gibt Worte, die sich so rührend
drehen und wrnden lassen, daß der gute Bür.
ger sich tief ergriffen fühlt; es gibt Worte,
die sich lermoyant auswinden lassen, deren
Sinn man eist faßt. wenn ihre ganze senli--
mentale FeucktigrVit uns entgcgentropft. DaS
versiebt Saphi r , wo er eine ernste Miene
annimmt und die Augen elegisch aufschlägt,
wie in vielen seiner ernsten „Gedichte". Doch
im Grunde ist der Wortwitz spitzig, polemisch,
scandalsüchtig. klopfft'ckteiisch, herausfordernd
— und wie der Witz. so ist sein Autor, denn
er ist unselbstständig; eS ist die Dialektik des
Wortes selbst, die ihn leitet; es ist der eigene
Proceß des in die humoristische Retorte ge,
worfenen WurteS, der so blitzt und sprüht
und dem der Chemiker selbst zusieht. Er ahnt
und weiß eS selbst nickt, wie sich das Wort
unter seinen Händen verwandelt; er läßt daS
Chamäleon schillern und nolirt seine Farben.
Dabei ist natürlich von eigener Farbe, von
Inhalt, von Gesinnung nicht die Nede. Tie-
fere Ideen werden zum Glücke selten von
diesen hin und her spielenden Wortmaschinen
zerrieben. Die Satyre Saphir 's sucht mit
!! Vorliebe altbekannte, triviale Gegenstände:
die Aerzte, die Frauen, das Theaterwesen auf
und richtet daS politische Wetter ganz nach
dem Barometer der öffentlichen Zustünde ein.
Dennoch scheint idm die Sonne dl's politi.
schen Freisinns, oder er braut revolutionären
Sturm, oder der Himmel ist ganz bewölkt
und der Autor hüllt sich in feierliches Schwel»
gen. Saph i r kann als Lyriker keine sonder»
liche Bedeutung beanspruchen. Er appellirt
wohl hin und wieder in elegischen Klängen
mit Glück an die Thränendrüsen; er seufzt in
Trochäen und saloppen Hel'ne.Versen; er
dichtet eine Ode auf Sanct Helena; doch
alle diese Gedichte haben keine bestimmte
Physiognomie. In seinen längeren Dichtungen
herrscht eine verwaschene Geschwätzigkeit und
flach moralische Sentimentalität, der echte
Basenton der Erzählung; die armen, müd«
gehetzten Worte, hinter denen sein spielender
Witz auf ernstem Gebiete herjagt, flüchten sich
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Saal-Sawiczewski, Volume 28
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Saal-Sawiczewski
- Volume
- 28
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1874
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 414
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon