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Scanagatia 8 Scanagatta
Kinder selbst an ihren Bestimmungsort
zu geleiten und dieselben einem bekannten
Ehepaare, Namens G iu l ian i , über-
gab, das eben im Begriffe stand, nach
Wien zu reisen, stellten sich dem Vor«
haben Franziska's nur mehr so ge>
ringe Hindernisse zur Ausführung ihres
Vorhabens entgegen, daß sie dieselben
mit Lift und Muth glücklich überwand,
und in ihrer Verkleidung als Signor
Francesco und Erternist der Wiener-
NeustädterMilitär«Akademie, ohne irgend
wie Verdacht zu erregen, beiHaller Auf«
nähme fand. Als sie ihren Schritt dem
Vater entdeckte, war dieser in allem
Anbeginne wohl außer sich und wollte
sofort nach Wiener.Neustadt reisen und
der Maskerade ein Ende machen, aber
inständiges Flehen Franziska's mit
ihrer entschiedenen Absicht, in der selbst-
erwählten Bahn zu verbleiben, bewogen
den Vater, sich einstweilen in die Ver«
hältniffe zu fügen und seine Tochter
gewähren zu laffen. DaS Alles, was im
Vorstehenden nur oberstächlich angedeutet
ist und in seinen Verwickelungen und
Lösungen einen köstlichen Lustspielstoff
böte, erzählt nach Franziska Scana«
gatta's eigenen Aufzeichnungen oder
Mittheilungen Lombroso in seinen
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niu. Seit 4. Juli 1794 besuchte
Franziska als Externist, ohne daß
Jemand und selbst Hal ler und seine
Familie es ahnten, daß unter dem Soloa.
tengewande ein Weib verborgen sei, die
Neustädter Militar-Akademie und verlegte
sich mit Fleiß und sichtlichem Erfolge auf
daS Studium der französischen und eng.
lischen Sprache und der mathematischen
Wissenszweige, welche einen Hauptgegen»
stand der militärischen Ausbildung aus-
machen. Sie bedürfte aller Vorficht und
Schlauheit, um ihr Geschlecht nicht zu verrathen, waS ihr auch vollkommen
gelang. Nach dritthalbjährigem Besuche
der Akademie wurde Franziska. nach»
dem sie eine ausgezeichnete Prüfung,
gemacht, am 16. Jänner 1797 zum
Fähnrich im Warasdiner«St. Georger
Grenz«Regimente ernannt, welches da«
mals am Rhein stand. Sofort erhielt S.
Befehl, einen Transport Recruten dek
Regiments aus Ungarn nach Mainz zu
führen, wo daS betreffende Bataillon,
bei dem S. eingetheilt war, damals eben
sich befand. Mit seinem Bataillon wech«
selte nun Fähnrich Scanagat ta inner-
halb Jahresfrist oftmal den Standort,
Franziska kam zuerst nach Böhmen,
dann nach Schlesien, wo sie zuerst in
Troppau, dann in Iägerndorf in Station
war, Mitte März 1798 nach Steiermark
und nach einigem Aufenthalte daselbstnach
Klagenfurt. Alle Märsche, Strapazen,
Entbehrungen ertrug Franziska mit
männlichem Gleichmuthe, strenge das
Geheimniß ihres Geschlechtes behütend.
Sobald sie eine Besorgniß hatte, entdeckt
zu werden, oder daß Verdacht aufstieg,
wußte sie es immer dahin zu bringen,
daß sie mit irgend einem Auftrage ent-
fernt oder tranSferirt wurde. So geschah
es. daß sie Mitte August 1798 nach
Brünn in Mähren ging, um von dort
zum 4. Bataillon des Infanterie'Regi«
meniS Wenzel Colloredo, welches zu
Lublin in Polen stand und wohin sie
eingetheilt worden, sich zu begeben. Da>
selbst machte sie die aufreibenden Märsche
nach verschiedenen Stationen den ganzen
Winter hindurch bis in den Frühling 1793
mit, in welcher Zeit sie krank wurde und
nicht geringe Mühe hatte, sich während
der arztlichenBehandlung vor Entdeckung
zu bewahren. Im Frühlinge 1799 bekam
sie, kaum genesen, ihre Bestimmung zum
Deutsch.Banater Regimente und gelangte
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sax-Schimpf, Volume 29
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Sax-Schimpf
- Volume
- 29
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 374
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon