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Schiavoni 266 Schiavoni
Er rief darnach eine alte Dienerin und
sprach leise mit ihr. Sie entfernte sich.
und als nach wenigen Minuten in die
sich öffnende ThĂŒre ein MĂ€dchen trat.
rief Schiavoni: âDa ist sie". Dietz-
mann wandte sich um und erblickte ein
junges MĂ€dchen. daS lebendige Ebenbild
des GemÀldes, daS er eben bewundert
hatte. Staunend schaute er bald das
MĂ€dchen, bald den KĂŒnstler an. bis
dieser anhub.- âDas Madchen da ist
meine liebe Tochter und daS PortrÀt
meine Ahnfrau. Ich stamme direct von
dem alten Andrea Schiavoni (gest.
5382) ab und will Ihnen auch die Ge-
schichte jenes Bildes erzÀhlen: Mein
Urahn hatte sein ganzes Leben lang.
trotz seinem Genie, mit Noth und Elend
zu kÀmpfen. Er malte im Anfange Wirths-
Hausschilder und dergleichen und keiner
der groĂen Maler nahm sich seiner an.
I n seiner Noth tröstete ihn die Liebe der
schönen Giacinta, eineS MÀdchens,
das er eines Abends weinend am Rialto
getroffen und das ihm gesagt hatte, daĂ
eS Vater» und mutterlos in Venedig sei
und hungere. â âIch bin auch allein
und hungere", antwortete ihr Schia»
voni ; âso komme mit mir". Sie folgte
ihm und verlieĂ ihn nicht wieder. Er trieb
seine Kunst als Handwerk, konnte aber
nie so viel gewinnen, um die Sorgen
von seiner kleinen Wohnung fern zu
halten, so daĂ er oftmals mitGiacinta
hungerte, die ihm jedes Jahr ein Kind
gab. Als acht Kinder Brot von ihm ver»
langten, schien ihm endlich die Hoffnung
zu leuchten. Ein Kloster bestellte ein gro-
Ăeg GemĂ€lde bei ihm, an dem er mit
unermĂŒdlichem FleiĂe arbeitete. Als das»
selbe beendet war und abgeliefert wurde,
war gerade ein Fest in der Kirche des
Klosters, zu welchem halb Venedig
strömte, um Blumen vor der Madonna niederzulegen. Nachdem alle Frommen
sich entfernt hatten, trat Schiavoni zu
den Mönchen und bat, sie möchten ihm
etwas Geld fĂŒr sein Bild geben. âGeld?"
antworteten sie, âGeld haben wir nicht,
Meister, aber nehmt da von den Blumen,
so viel Ihr wollt". Verzweifelnd nahm
der Maler zwei groĂe RosenstrĂ€uĂe und
eilte hinweg. Giac inta erwartete ihn
mit den acht Kindern an der ThĂŒre der
kleinen Wohnung. âDaS hat man mir
statt des Geldes gegeben", rief ihnen der
Vater entgegen und warf ihnen die Blu«
men zu. âRosen bringe ich Euch als
Effen". Und Giacinta zerpflĂŒckte die
Rosen und legte jedem Kinde, Schia«
voni und sich selbst ein HĂ€ufchen der
RofenblÀtter auf einem Teller vor. Es
war das letzte Mahl der armen Gia»
cinta. Am andern Tage erlag sie ihren
langen Leiden und Schiavoni malte
sie spÀter auS der Erinnerung, wie sie
Rosen iĂt. Wie viele ThrĂ€nen mögen
ihm dabei ĂŒber die Wangen gerollt sein!
Zu seinem GlĂŒcke rief auch ihn der Tod
bald ab und die acht Kinder muĂten
zusehen, wie sie allein ihren Weg durch
die Welt fÀnden. Sein Geschlecht aber
hat sich doch erhalten bis zu mir. Ich
bewohne nun freilich einen Palast, male
aber nicht wie der alte Schiavoni, der
so arm war. Bin ich nicht Àrmer als er?"
So Felix Schiavoni, der Urenkel des
berĂŒhmten Andreas, als dessen Nach-
kommen er sich selbst bekennt.
Illustrirte Zeitung (Leipzig. I. I. Weber.
kl.Fol.) I.. Bd. (1868. erste HĂ€lfte), Nr. 1304,
S. 460: âEin Besuch bei Felice Schiavoni",
von Dora d'Iftria e^in drei Foliospalten
langer Artikel, in welchem man alleS Mög»
liche, nur fast nichts von Schiavoni an»
fĂŒhrt). â Nagler (G. K. Dr.), NeueS
allgemeines KĂŒnstler.Lerikon (MĂŒnchen 1839,
Fleischmann. 8°.) Bd. XV, S. 216. â Die
KĂŒnstler aller Zeiten und Völker. Begon-
nen von Prof. Fr. MĂŒller, fortgesetzt von
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sax-Schimpf, Volume 29
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Sax-Schimpf
- Volume
- 29
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der UniversitÀts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 374
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon