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Schlamm 261 Schiavoni
in Verzückung versetzen — malte. Alle
diese Mädchen, mit naivem, nicht selten
zum Schelmischen übergehenden Gesichts»
ausdrucke, sehen sich einander ähnlich wie
Geschwister, sie sind aber wunderhübsch
und immer mit Geschmack, nie mit Ver-
letzung des AnstandeS, wie dieß etwa bei
V ida l vorkommt, gemalt. I n vielen
dieser Mädchengestalten wollte S. ver«
schiedene Eigenschaften der Seele, wie
die Freude, die Neugierde, die Trauer,
die Entsagung, daS Nachdenken, die
Zufriedenheit u. dgl. m< versinnlichen,
und es sind, da er diese Seelenstimmun'
gen an einer und derselben Miene zum
Ausdrucke brachte, so zu sagen physiogno-
mische Studien. Wenn daher ein kritischer
Moralist über S c h i a v o n i schreibt:
„Natale Schiavoni'S Prostitutions»
genre, wovon „Magdalena" und „Die
Trauer" eben nicht die brillantesten Pro«
ben find, ist wohl sogar für dieAnschauun«
gen der Wiener Schule ein überwundener
Standpunct und wir wollen daher ruhig
über dieß eigenthümliche, in der Anlage
sehr bedeutende, doch durch sentimental
sinnliche Manierirtheit völlig unter das
Maaß des Anständigen und Berechtigten
gerathene Talent hinweggehen" (!). so sind
wohl solche Worte — und sei der Kritiker
wer er wolle — über einen Meister, wie
Natale Schiavoni, unter dem Maaße
des Anstcmdes und der Berechtigung. —
Groß endlich ist auch die Zahl seiner Ma«
donnen und weiblichen Heiligen, bei denen
der Vorwurf, daß sie weniger den Ein»
druck von Heiligen, als den schöner
Menschenbilder machen, nicht ungerecht»
fertigt sein möchte, denn religiöse Ver«
ticfung mag bei einer sinnlichen Kraft,
wie sie bei Natale S.'s Werken her-
vortritt, und wenn diese Kraft sich auch
in zarter Zurückhaltung gefallen laßt,
nicht überwiegend gewesen sein. Man hatSchiavoni eben wegen der Anmuth
seiner Frauengestalten nicht selten den
„Maler der Grazien" genannt, wie sein
Freund Canova der „Bildhauer der
Grazien" war. Ja, ein italienischer Kri«
tiker geht noch weiter, wenn er über
Natale S. schreibt: „Nooo un, norao
L0Q05owti8LiiQ0 P6l tutto 1'oi-06 civile;
6000 il. voro pittoes äMg. natura, il
äsiis Uri äel paraäiso äi
; 11 iaLoinatoro äsi Leusi o
e 6.6i1oo03oi6Q2s". Wel-
ches immer die Urtheile der Kritik über
Schiavoni sein mögen, wenn sie auch
in der Richtung deS Tadels wie des LobeS
die Grenze überschreiten, eines ist gewiß,
daß „Vater und Söhne zu den Zierden
der modernen venetianischen Schule" ge>
hören. Es wurde im Laufe der vor»
stehenden Skizze bemerkt, daß S. auch
mehrere Blätter gestochen habe. I n der
That hat S. mit Meisterschaft den Grab«
stichel gefühlt, und es schien einige Zeit
zweifelhaft, ob nicht dieser über den Pin»
sel den Sieg davontragen würde, aber
die Arbeit mit dem Grabstichel strengte
seine Augen derart an, daß er sich ge«
zwungen sah, diese Richtung seiner Kunst
ganz aufzugeben. Von Schiavoni's
gestochenen Blättern sind anzuführen:
„NieUrellzllbnahme",nachTitian(gr.Fol.),
mit der Dedication an den Maler And.
Appian i ; — „Nie Grablegung Ghristi",
nach Ebendemselben (gr. Qu. Fol.),
Exemplare davon vor aller Schrift nur
mit dem Künstlernamen; — „Nie Madannll
belln srdill", nach Raphael , unter
3onghi 's Leitung (Fol.); — „Nie Him-
melkchrt Maria": „^Länuipta 65t Naria
i" (gr. Fol.),
dem Kaiser A lexander gewidmet;
Nagler nennt es geradezu ein „Haupt«
blatt der Chalcoczraphie" ; es existiren
davon Exemplare 2.) vor aller Schrift;
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
Sax-Schimpf, Volume 29
- Title
- Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
- Subtitle
- Sax-Schimpf
- Volume
- 29
- Author
- Constant von Wurzbach
- Publisher
- Verlag der Universitäts-Buchdruckerei von L. C. Zamarski
- Location
- Wien
- Date
- 1875
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 13.41 x 21.45 cm
- Pages
- 374
- Keywords
- Biographien, Lebensskizzen
- Categories
- Lexika Wurzbach-Lexikon